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Welttag des Buches: E-Books und digitales Lesen

Wussten Sie, dass die Entwicklung des E-Books im Vergleich zur Entwicklung des gedruckten Buches nur einen Wimpernschlag gedauert hat? 43 Jahre stehen hier sechs Jahrhunderten gegenüber. Und dieser kurze Zeitraum bedeutet eine ganze Revolution - auch für unser Leseverhalten. Während wir früher ein Buch oder eine Zeitschrift häufiger an festen Orten und von Anfang bis Ende lasen, bevorzugen wir  inzwischen eine eher extensive, ausschnitthafte Lektüre und lesen auf mobilen Endgeräten und lesen, unterwegs in Bus, Bahn oder auf der SLUB-Wiese.

Will man die Soziologie modernen Lesens beschreiben, muss man zischen dem unterhaltsamen Lesen und der wissenschaftlichen Lektüre unterscheiden. Hinsichtlich ersterem ist z.B. in der deutschen Bevölkerung den letzten Jahren ein leichter, aber deutlicher Abwärtstrend zu verzeichnen. Ob die Kulturpessimisten Recht haben, die das Abnehmen des Lesekonsums als kulturellen Sittenverfall wahrnehmen, oder ob der Medienwandel, der immer auch Kulturwandel bedeuten muss, ein begrüßenswertes Phänomen darstellt, bleibe dahingestellt. Das wissenschaftliche Lesen jedenfalls ist angesichts der schwellenden Publikationsflut nicht bedroht. Allerdings sind auch hier qualitative Veränderungen zu konstatieren. Im November letzten Jahres gab es in der FAZ dazu einen äußert interessanten Artikel von Calos Spoerhase. Der Autor setzt sich darin mit einem immer wieder beklagten Umstand auseinander:

Mit den digitalen Transformationen hat sich aber ein fester Kanon von Klagen etabliert. Die Ausdauer bei der Lektüre lasse nach. Lektüren würden schon nach einigen Seiten abgebrochen; nicht selten würden ganze Passagen nur überflogen. Schon am nächsten Tag könne man sich an das Gelesene nicht mehr genau erinnern. Selbst an der Universität versenke sich niemand mehr in Bücher und lese aufmerksam und ohne Unterbrechung von der ersten bis zur letzten Seite.

Spoerhase weist darauf hin, dass diese Klage nicht neu, sondern von den Geisteswissenschaftlern schon immer hervorgebracht worden sei - nicht zuletzt, um ihre eigene "Lektüredisziplin" und wissenschaftliche Methodik im Zuge dieser Abgrenzung aufzuwerten. In der digitalen Zeit mit ihrer Informationsflut sei diese schon immer auch fragwürdige, weil eigentlich unwissenschafltiche Lesedisziplin besonders unangebracht. Geisteswissenschaftler sollten eigentlich "Spezialisten für diskontinuierliche Lektüre" sein und noch nicht einmal einen Roman wie einen Roman - also von vorn bis hinten im Zustand vollkommenen Absorbiertseins - lesen (es sei denn, sie lesen ihn nicht aus wissenschafltichem Erkenntnisinteresse, sondern zum Zeitvertreib bzw. zur Unterhaltung). Der "narrative Lektüremodus" habe durch seine Tendenz, keine spezifischen Fragehorizonte zur Grundlage zu haben, seine Beschränktheiten. "Akademisches Lesen" hingegen, das mehrere Modi kenne ("meditatives Lesen, argumentatives Lesen, scannendes Lesen oder Stellenlektüre"), verfolge immer bestimmte Fragestellungen.

Zweifellos zwingt uns die Informationsflut dazu, spezielle Kulturtechniken herauszubilden, um sie zu meistern. Die digitalen Technologien unterstützen uns dabei in allen Lebensbereichen. E-Book-Reader erlauben das Mitführen ganzer Bibliotheken, das sekundenschnelle Durchsuchen nach Textstellen, das Teilen von Lesetipps und Anotationen in sozialen Neztwerken. Webapplikationen helfen beim Filtern und Aufbereiten von Informationen. Und in der wissenschaftlichen Methodologie haben Computerlagorithmen sogar Paradigmenwechsel ausgelöst, wie der Blick auf Phänomene wie  Distant Reading, Text Mining oder Big Data zeigt.

Die Entwicklung auf dem Markt der digitalen Medien hat auch die Erwerbungsstrategie der SLUB stark verändert. In den vergangenen beiden Jahren ist der Anteil an E-Books unter unseren Neuerwerbungen stark gestiegen. Damit passen wir uns der zunehmenden Nutzernachfrage an: Während wir 2013 etwa 1,2 Millionen E-Book-Downloads verzeichneten, waren es 2015 bereits doppelt so viele.

Um dem Bedarf an E-Books gerecht zu werden, prüfen wir regelmäßig spezielle Erwerbungsmodelle und Produkte der Verlage für E-Medien. Zusätzlich ziehen wir für die Auswahl neuer relevanter Literatur auch Statistiken heran, die aufzeigen, welche E-Books häufig nachgefragt werden, aber noch nicht in unserem Bestand sind. Derzeit bieten wir Ihnen Zugriff auf ca. 1,3 Millonen digitale Bücher.

Immer stärker achten wir in der SLUB bei Erwerbungen neuer Medien darauf, Ihre Wünsche zu erfassen und den Bibliotheksbestand so bedarfsgerecht wie möglich zu entwickeln. Als Nutzer können Sie beispielsweise über einen Kauftipp mitbestimmen, welche Medien wir beschaffen.


Wie zufrieden sind Sie mit unserem E-Book-Bestand? Ist die Nutzung für Sie einfach und selbsterklärend? Haben Sie Wünsche oder Vorschläge? Dann lassen Sie uns ins Gespräch kommen.

 

Bildnachweis: Ole Husby (CC BY-SA 2.0)

1 Kommentar(e)

  • Thomas Bürger
    23.04.2016 18:58
    Mediengenie Shakespeare

    Am heutigen 400. Todestag Shakespeares und Cervantes, dem Welttag des Buches, macht es Sinn, über Kulturwandel nachzudenken. Lothar Müller erinnert in der SZ an das Mediengenie Shakespeare: "Er ist die große Hoffnungsfigur für alle Visionen einer "inklusiven" Kultur, die Gebildete und Ungebildete, Underdogs und Eliten, Augenmenschen und Büchermenschen, Leser, Kinogänger und TV-Junkies zusammenschließt. Diese Hoffnung auf Shakespeare als Modell inklusiver Kultur hat zwei Seiten: Auf der einen ist er der Medienprofi, Gewährsmann für die Quadratur des Kreises gewissermaßen - für die Etablierung einer Kulturindustrie nämlich, die populär und "sophisticated" zugleich ist, allen Trash, alle Derbheiten und Zoten in sich aufnimmt und zugleich in den höchsten Tönen subtiler Poesie schwelgt.
    Auf der anderen Seite ist Shakespeare der erste große Weltkünstler im Wortsinn: Repräsentant der Epoche, in der alle späteren Aufschwünge der Globalisierung wurzeln..."
    Aufbruch seit 1616...

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