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Wieviel Vivaldi? Musikhandschrift bietet neuen Diskussionsstoff für die Forschung

Die Serie von Vivaldi-Funden im historischen Musikalienbestand der SLUB reißt nicht ab. Kaum hat der britische Experte Michael Talbot in einem Artikel im Bibliotheksmagazin BIS zwei Manuskripte des bekannten Notenschranks II im Lichte konkordanter Quellen aus Schwerin und Durham neu bewertet, führten seine aktuellen Beobachtungen zu einer weiteren Entdeckung: In einem anonymen, durch das handschriftliche Stimmenmaterial der SLUB überlieferten A-Dur-Violinkonzert stellte der isländische Musikforscher Jóhannes Ágústsson eine Eigentümlichkeit fest, die Talbot im erwähnten Aufsatz als Vivaldi-spezifisch erkannt hatte: den gelegentlichen Ersatz mehrtaktiger Pausen durch den Klartext „Qui si ferma a piacere“ („Hier pausiert man nach Belieben“).

Von Ágústsson um seine Meinung gebeten, gelangte Talbot zu folgender Einschätzung: In der Tat dürfte es sich um ein Violinkonzert von Antonio Vivaldi (1678 – 1741) handeln, und zwar um eines aus dessen letzter Lebensphase, das er seinem ehemaligen Schüler, dem Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle Johann Georg Pisendel (1687 – 1755), quasi auf den Leib geschrieben hatte. Diese Auffassung erklärt die selbst für Vivaldische Maßstäbe extreme Schwierigkeit der Solopartie. Allerdings hat das für die Vergabe von Werkverzeichnisnummern zuständige Gremium des venezianischen Vivaldi-Instituts sich ihr zumindest vorerst nicht anschließen können: dem Vernehmen nach, weil die Soloepisoden im Gegensatz zu den Tuttipassagen auch in stilistischer Hinsicht zu untypisch seien.

Das Ringen um die Authentizität der Komposition ehrt die an der Diskussion beteiligten Fachleute. Dass international ausgezeichnete Interpreten bereits ihr Interesse an dem Werk angemeldet haben, ist sehr zu begrüßen, denn eine adäquate Einspielung könnte erheblich zur Meinungsbildung beitragen.

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