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"St. Johannis aber ist die Hauptkirche" – Johann Andreas Silbermann in Zittau
Die Osterzeit 1741 verbrachte der Straßburger Orgelmacher Johann Andreas Silbermann in Zittau bei seinem Onkel Gottfried Silbermann, der mit dem Bau einer Orgel in der Zittauer Johanniskirche beschäftigt war. Johann Andreas Silbermann nutzte diesen Besuch aber nicht nur für Diskussionen über den Orgelbau, sondern interessierte sich umfassend für Geschichten und Besonderheiten der Gegend. Viele seiner Beobachtungen und Erlebnisse hielt er in einem Reisetagebuch fest, das über die SLUB in seiner digitalisierten Form frei zugänglich ist. In Zittau beispielsweise beschrieb er die kurze Zeit später zerstörte Johanniskirche:
St: Johannis aber ist die Hauptkirche, hat vornan 2 schöne thurm oben mit gallerien und doppelter Coglen mit Kupfer überdecket.
Alle tage um 10 Uhr wird von denen so genanden Stadtpfeiffern | Musicanten| auf der gallerie eine Concert mit blasenden Instrumenten gemacht, nach diesem ein Choral. Und an FestTägen lassen sich fast den gantzen Tag Trompeten und Paucken nebst anderer Music darobenhöhren.
Auf dem einen Thurm sind Wächter, und damit sie wachend bleiben, so wird von der Nacht patrolwan sie an die Kirche kombt mit lauter stimmegeruffen: Wache Wohl. Worauf der Wächter also bald antworten mus: ich wache wohl.
Inwendig ist die Kirche ganz gewölbet, es ist aber dasselbe oben überal mit eißenwerckzusamengehenckt, es soll solches von der belägerung die Zittau im 30jährigen Krieg erlitten geschüttert und baufällig worden seyn.
Nächst dem Thor hänget eine ziemlich große mit wasserfarben + ao 1586 + gemahltetaffel, darauf die 5 klugen und 5 thörichten Jungfrauen nebst dem Bräutigam zu sehen sind, darunter teutsche und lateinische Verse geschrieben. Bey Bräutigam stehen die Worte aus Math. 25 Cap. der bräutigam macht denen klugen Jungfrauen eine zierlich Compliment, er ist in Spanischer Kleidung, hat einen grossenRauffdegen an der Seite, und einen Hut mit einer Weissenfeder.
Es stehen 3 Orgeln in dieser Kirche, 2 davon sind alt wurden aber gleichwohl gebraucht, die eine hinten neben dem Chor zur Music, die andere in Seitengebäu, gegen der Neuen, die mein Herr Vetter macht über, zum Choral. Die 3te nun ist noch in der Arbeit und wurde daran nichts gespahret, der Kasten daran mit Bildhauerarbeit sehr reich gezieret und vergoldet worden. Kostete 2100 Thlr. und Herr Vetter bekombt vors Orgelwesen 7000 Thlr.
Auch einen Gottesdienst, der in Sachsen "immer sehr lang" dauert, hält Silbermann fest, außerdem widmet er sich ausführlich nicht nur dem Zittauer Hungertuch, sondern auch den Raritäten und Kuriositäten in den beiden Zittauer Bibliotheken und notiert Begebenheiten, die er auf seinen Ausflügen beispielsweise nach Görlitz, in die Lausitzer Webstuben oder auf den Berg Oybin erfährt.
Die detailreichen und lebendigen Schilderungen machen vielleicht auch Ihnen Lust auf einen Abstecher in die Lausitz? Hier könnten sie Anregungen dazu erhalten – denn nicht zuletzt als amüsanter Reiseführer taugt das Journal auch heute noch.
Am Dienstag, den 14.4. um 14.30 Uhr und um 19.30 Uhr werden Teile des Tagebuchs im Rahmen eines Orgelkonzertes im "Offenen Palais" vorgestellt. Und auf @JASilbermann begleiten wir Silbermann täglich auf seiner weiteren Reise.
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