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Macht Citizen Science glücklich? Wir antworten auf dem #BibTag19

Vortrag des Saxorum-Teams beim diesjährigen Bibliothekskongress in Leipzig

„Citizen Science“ – der Begriff klingt modisch, für ein neues Thema steht er aber nicht! Citizen Science-Projekte gibt es mindestens seit dem 19. Jahrhundert. BürgerInnen, die forschen, gibt es noch länger. Bibliotheken waren und sind seitdem wichtige Elemente solcher Forschungsprozesse – immer dann, wenn Wissen aus Büchern bzw. aus Bibliotheksbeständen erworben wurde, oder wenn Wissen in neuen Büchern den Weg zurück in Bibliotheken fand.

Mein Kollege Martin Munke und ich greifen diese Tradition beim diesjährigen Bibliothekskongress auf, mit dem Vortrag Macht Citizen Science glücklich? Bürgerwissenschaften in Wissenschaftlichen Bibliotheken.

Eine längere Textfassung des Beitrags ist in dem Blog Bürger Künste Wissenschaft zu finden. Hier eine ergänzende Zusammenfassung:

 "Citizen Science macht glücklich!", sagt Dr. Matthias Nuß vom Senckenberg-Institut in Dresden, wenn er über die Menschen spricht, die ihre Zeit, ihr Wissen oder gar ihr ganzes Leben leidenschaftlich und hobbymäßig in den Dienst der Wissenschaft stellen. Zum Beispiel indem sie mit extrem spezialisiertem Wissen helfen, wieder und wieder die Rote Liste gefährdeter Insekten zusammenzustellen: ohne sie ginge es kaum (so gut)! Nachwuchs ist wichtig, gerade in Zeiten, in denen jeder einzelne Wiesenbesitzer, Großbauer und Kleingärtner vom Wert bunt blühender Landschaften überzeugt sein will und muss.

Wir legen beim Bibliothekskongress in Leipzig in diesem Jahr dar, welche Bedeutung Citizen Science für die SLUB als wissenschaftliche und Landesbibliothek hat – und was daraus folgt. Unsere Perspektive ist die Landeskunde und das Portal Saxorum.de: Texte über Sachsen und andere Saxonica, regionale Geschichte, offene Werkzeuge für Kollaboration in der Heimatforschung, Wikisource und Wikidata.

Wir profitieren davon. Beispielsweise wurden die Artikel, die im 19. Jahrhundert im Illustrierten Familienblatt Die Gartenlaube über sächsische Orte, Ereignisse, Menschen, Bäume, Tiere und andere Themen erschienen, bislang nicht in der Sächsischen Bibliografie erfasst. Diese Datenbank ist ein Verzeichnis, in dem wir alle Werke über Sachsen systematisch erschließen, damit Sie schnell finden, was sie speziell über Sachsen suchen. Wie Dr. Solvejg Nitzke, die an der TU Dresden zu frühen ökologischen Narrativen des 19. Jahrhunderts forscht. Deutschlands merkwürdige Bäume, eine Gartenlaube-Serie, die ab 1883 erschien, konnten wir mit Hilfe neu angelegter Wikidata-Datenobjekte relativ einfach - und schön anschaulich - in einer Europakarte darstellen, auch für sie. In die Sächsische Bibliografie übertragen wir diese Daten noch. Bis dahin pflegen wir diese Saxonica erstmal in Wikidata.

Gleiches geschah kollaborativ in den vergangenen Wochen mit den Fabriken aus den beiden reich bebilderten Alben der Sächsischen Industrie von 1865. Beide Bände wurden in der SLUB digitalisiert und ihre digitalisierten Texte in Wikisource korrigiert.

Grundlegend für Visualisierungen in beiden Karten ist die jahrelange Transkriptions- und Korrekturarbeit Freiwilliger in Wikisource. Geforscht wird dabei beiläufig in mehrfacher Hinsicht: Es entstehen Querverweise und Verbindungen, über das Gelesene hinaus neue Forschungsfragen und Ideen, z.B. zur Erschließung und Visualisierung dieser historischen Quellen. Und es entstehen mit Hilfe dieser leicht zugänglichen Quellen neue Publikationen, z.B. an der TU Dresden.

Was hilft's heute? Mit 'Die Gartenlaube' und mit dem 'Album der Sächsischen Industrie' stehen in Wikisource inzwischen zwei umfangreiche Textsammlungen weitgehend elektronisch durchsuchbar und frei für jeden jederzeit zur Verfügung: unter anderem voll mit sächsischer Industriegeschichte. Eine Idee: Was können wir für den kommenden Strukturwandel in Sachsen aus diesen Texten lernen, die vor allem beschreiben, wie die industrielle Revolution vor hundertfünfzig bis zweihundert Jahren hier Leben und Landschaft veränderte?

All dies ist Citizen Science; und es macht glücklich? Das auch. Die Grenzen zwischen Crowdsourcing, Citizen Science, Landeskunde und Heimatforschung sind fließend. So oder so – dümmer wird man dabei nicht. Darüber sprechen wir am Montagnachmittag beim Bibliothekskongress in Leipzig.

Ergänzung

Eine Langfassung des Vortrags wurde unter dem Titel Bürgerwissenschaften in wissenschaftlichen Bibliotheken : Strategie- und kooperative Projektarbeit, Investitionen in offene Kulturdaten und in Anwenderwissen in o|bib – Das offene Bibliotheksmagazin, Bd. 6 Nr. 4 (2019), veröffentlicht.

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