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Gastbeitrag: Die SLUB in einer sich wandelnden Gesellschaft

Unter dem Motto „Bibliotheken verändern“ findet in dieser Woche der 7. Bibliothekskongress in Leipzig statt. Anlass genug, an dieser Stelle einmal genauer zu betrachten, wie die SLUB mit den Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels umgeht.  Die Journalistin Beate Diederichs hat uns zu diesem Thema kürzlich besucht. Lesen Sie hier ihren Gastbeitrag:

Die Zeiten, als Bibliotheken nur aus Bücherregalen und Ausleihtresen bestanden, sind vorbei. Moderne Einrichtungen wie die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) bieten viel mehr: sie verfügen über vielfältige Wissenskanäle, beziehen Nutzerwissen ein, beraten, laden zu Veranstaltungen ein, stärken die Bildungsgerechtigkeit. »Wir möchten uns als ›dritten Ort‹ neben dem eigenen Zuhause und der Arbeitswelt der Menschen etablieren, als einen Ort, wo wissenschaftlicher Diskurs und sozialer Austausch stattfinden «, sagt Annemarie Grohmann, Pressesprecherin der SLUB. Mit diesem Wandel des Selbstverständnisses ändern sich auch Berufsbilder wie das des Bibliothekars und neue Tätigkeitsfelder kommen hinzu.

Wer heute die Räume der SLUB auf dem Zelleschen Weg betritt, kann sich kaum vorstellen, wie man noch in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Bücher in der Sächsischen Landesbibliothek, liebevoll »Labi« genannt, auf der Marienallee auslieh: Man zog einen Zettel mit den Daten des gewünschten Buches aus einem großen braunen Holzkasten, ging mit dem Zettel zum Tresen und bestellte dort das entsprechende Werk. Hatte man Pech, musste es aus dem Keller geholt werden, was mehrere Stunden Wartezeit bedeutete. Also fuhr man dann meist am nächsten Tag erneut vom Campus quer durch die Stadt, um das Buch abzuholen.

Wesen der Bibliothek hat sich grundlegend geändert

Heute ist die SLUB – die Einrichtung, zu der Landes- und Universitätsbibliothek fusionierten – nicht nur mitten auf dem Campus zu finden, sondern hat sich vom traditionellen Bild, das viele Menschen von einer Bibliothek haben, wegentwickelt. Regale und Ausleihtresen gibt es hier zwar immer noch. »Doch es hat sich grundlegend geändert, was eine Bibliothek ist und sein soll«, sagt Kathrin Bellmann, Human Resources Managerin an der SLUB. »Früher ging es vor allem darum, den Menschen das in gedruckten Werken enthaltene Wissen zu vermitteln. Heute sind durch die Digitalisierung weitere Wissensformen und Wissenskanäle entstanden, mit denen wir arbeiten. Außerdem nehmen wir das Wissen auf, das die Nutzer von außen an uns herantragen, und geben ihnen Raum für ihre Kreativität, zum Beispiel in unserem Makerspace«, so Kathrin Bellmann weiter. »Wir bieten Dienstleistungen an, mit denen wir den gesamten Forschungskreislauf begleiten, helfen nicht nur bei der Recherche, sondern stellen beispielsweise auch Instrumente zum Forschungsdatenmanagement zur Verfügung und beraten zum wissenschaftlichen Schreiben«, ergänzt Annemarie Grohmann, Pressesprecherin der SLUB. Generaldirektor Dr. Achim Bonte setzt unter anderem auf Open Access und niedrigschwellige Angebote, um die Bildungsgerechtigkeit zwischen verschiedenen Bevölkerungsschichten zu verbessern. Ein gut gefüllter Veranstaltungskalender soll nicht nur Studenten und Mitarbeiter, sondern auch diejenigen Dresdner anlocken, die sonst wenig mit der Universität zu tun haben.

Mit über zwei Millionen Besuchen sowie über einer Million Entleihungen und über acht Millionen Downloads elektronischer Volltexte ist die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden eine Einrichtung, die über die Stadt- und auch über die sächsischen Landesgrenzen hinaus wirkt. Rund 350 festangestellte und drittmittelfinanzierte Mitarbeiter, die in acht Abteilungen plus Direktion organisiert sind, engagieren sich in flexiblen Teams täglich dafür, dass die Bibliothek ihren vielfältigen Aufgaben gerecht wird. Mit dem Wandel dessen, was die SLUB sein möchte, ändert sich auch das Berufsbild dieser Menschen. Die klassische Bibliothekarin sortiert beispielsweise keine Bücher mehr ins Regal. Das macht jetzt eine Fremdfirma. Weitere Partnerfirmen liefern die neuen Bücher und anderen Medien bereits »regalfertig« mit Etikett und »Metadaten«, also Kurzinformationen über das Werk, so zu Autor, Titel oder Erscheinungsort. Die Bibliothekarin bereitet diese Metadaten für den Index auf, bearbeitet sie, stellt dabei Verbindungen zu Datenbanken und anderen Indizes her, um den Nutzern die Recherche zu erleichtern. Dazu nutzt sie auch eine Software, die die SLUB selbst geschaffen hat. Daneben entwickelt sie gemeinsam mit den Kollegen von der IT den Katalog, auch eine Eigenkreation der SLUB, stetig weiter, damit Informationen leichter auffindbar sind. Parallel arbeitet sie mit Kollegen an der Digitalisierung älterer analoger Medien, wie Zeitungen und Tonträger. Die SLUB verfügt dabei über eine große Expertise. Denn sie koordiniert das Sächsische Landesdigitalisierungsprogramm.

Vielfältiges Bürgerwissen für das Onlineportal »Saxorum«

Das, was Martin Munke heute macht, wäre noch vor einigen Jahren als »Fachreferent für Sächsische Geschichte« im Organigramm der SLUB aufgetaucht. »Natürlich beschäftige ich mich immer noch damit, Medien zu erwerben. Diese liegen aber mittlerweile häufig elektronisch vor. Dazu kommen nun zahlreiche andere Aufgaben«, berichtet der studierte Historiker, dessen Tätigkeit nun unter »Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachinformation Sachsen« firmiert. Ein Teil seiner Arbeit ist sehr analog – er reist quer durch Sachsen und tauscht sich mit Heimatforschern aus. Ein anderer, größerer Teil ist digital: er recherchiert in Online-Publikationen zu Themen, die Sachsen betreffen, baut neue Informationsstrukturen für Nutzer auf und managt mit IT-Kollegen die Metadaten zu den Publikationen.

»Etwa die Hälfte meiner Arbeit verbringe ich damit, das Onlineportal ›Saxorum‹ weiterzuentwickeln und bekannt zu machen: eine Austauschplattform zu sächsischen Themen, die für alle Interessierten nutzbar ist. Dafür erfasse ich auch sogenanntes Bürgerwissen, also das, was zum Beispiel ehrenamtliche Heimatforscher herausgefunden haben, bereite es auf und stelle es auf die Plattform«, berichtet Martin Munke. Forschungsergebnisse aus Tschechien und Polen werden dort ebenfalls einbezogen.

Neue Stellenbezeichnungen für neue Tätigkeitsprofile

Zu den Berufen mit verändertem Tätigkeitsprofil kommen an der SLUB des Jahres 2019 noch diejenigen, die es vorher gar nicht gab. »Wir grübeln dann oft lange darüber nach, wie wir die Stellenbezeichnung formulieren sollen«, sagt Kathrin Bellmann. Dabei bemerkten sie und ihr Team unter anderem, dass es für die Tätigkeit »Forschungsdatenmanagement « keine passende Berufsausbildung gibt. Als sie für den Kreativitäts- Gerätepark »Makerspace« jemanden suchten, der die Geräte wie den 3-DDrucker oder den Lasercutter warten, das Angebot erweitern und die Nutzer beraten soll, benannten sie die Tätigkeit kurzerhand als »Technik-Guru«. Um den Einsatz der Mitarbeiterschaft an der SLUB langfristig planen und koordinieren zu können, wurde 2016 die Stabsstelle Personalentwicklung neu geschaffen.All diese Veränderungen sind nicht nur nötig, weil die SLUB als Bibliothek veränderte Aufgaben in einer sich wandelnden Gesellschaft wahrnimmt, sondern auch, weil sie einen gewissen Legitimationsdruck verspürt. »Wenn Wissen stets analog und vor allem digital verfügbar ist, wird natürlich hinterfragt, wozu es überhaupt noch Bibliotheken geben muss. Doch gerade bei der Fülle an Informationen braucht es uns als Instanz, die darin Orientierung und Struktur bietet. Außerdem bieten wir etwas, was gerade heute nicht selbstverständlich ist: geprüftes Wissen«, betont Annemarie Grohmann.

Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 05/2019 vom 12. März 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.

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