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It’s magic – Wie die Multispektralfotografie Verborgenes sichtbar macht

Ein beschriebenes Blatt, hunderte Jahre alt. Die Tinte ist teilweise so verblasst, dass der einstige Text mit dem bloßen Auge nicht mehr zu entziffern ist. Doch mit einer verblüffenden Technik werden die Buchstaben wieder sichtbar und sogar das ein oder andere Geheimnis gelüftet.

„Multispektralfotografie“ heißt das besondere Verfahren, mit dem dieses Kunststück gelingt. Die Technik an sich ist nicht neu: Schon mit UV-Licht allein lassen sich verblasste Schriften zum Teil rekonstruieren, doch mit dieser Methode stößt man auch schnell an Grenzen. Hier kommen Professor Gregory Heyworth und die SLUB ins Spiel. Beiden ist es ein Anliegen, Texte nicht nur sicht-, sondern auch verfügbar zu machen. Und nach erfolgreichen Projekten in den Jahren 2010 und 2015 war der amerikanische Wissenschaftler Anfang Juli erneut in Dresden, um sich hier in der Bibliothek einem besonderen Stück Geschichte zu widmen: Einer wassergeschädigten Abschrift Dantes Göttlicher Komödie aus dem 14. Jahrhundert, die Gegenstand des laufenden, von der DFG geförderten Projektes „Erschließung und Digitalisierung von Handschriften in italienischer Sprache der SLUB“ ist.


Mit einem mobilen Multispektralkamera-System im Gepäck machten sich die Forschenden eine Woche lang ans Werk. Doch wie funktioniert das Verfahren? Vereinfacht dargestellt, wird bei der Multispektralfotografie ein Objekt mit Licht in unterschiedlichen Wellenlängen von Ultraviolett bis Infrarot von zwei Seiten angestrahlt, eine zusätzliche Lichtquelle ist unter dem Objekt angebracht. Einzeln mit einer hochauflösenden Monochrom-Kamera fotografiert und mit einem Bildbearbeitungsprogramm optimiert, erscheint so nach und nach der verloren geglaubte Text. Bis zum lesbaren Dokument ist es allerdings ein langwieriger Prozess in vielen Schritten: in der Regel liegen etwa 30-40 Einzelbilder übereinander – pro Seite. 

Das klingt nach einer Mammutaufgabe? Ist es auch. Das von Professor Heyworth und seinem Team ins Leben gerufene Lazarus Projekt widmet sich genau diesem Unsichtbaren, dem Verlorengeglaubten, dem, was unter dem Text steht. Denn auch das gibt es. Gerade mittelalterliche Palimpseste, also „recycelte“ Pergamente, deren erste Beschriftungen abgeschabt und sie im Anschluss neu beschrieben wurden, bringen die ein oder andere Überraschung ans Licht – und das im wahrsten Sinne des Wortes. So kamen bisher unbekannte Wörter einer heute toten Sprache zum Vorschein oder Wasserzeichen im Papier. Und das sind sie dann wirklich, die magischen Momente inmitten der sterilen Welt der Hightech-Fotografie.

Wir sind gespannt, welche Entdeckungen sich in der Göttlichen Komödie und den vielen weiteren historischen Dokumenten im Bestand der SLUB noch machen lassen. Sie auch? 

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