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Simple, but not easy: Welches Problem löst Forschungsdatenmanagement?

Forschungsdatenmanagement: Nicht jeder weiß, was damit eigentlich konkret gemeint ist. Dabei sind die Probleme, welche es lösen soll, nahezu jedem geläufig. Datenchaos, Datenredundanz, Datenverluste. Andreas von der Dunk gehört zum Team Forschungsdatenmanagement an der SLUB. Von ihm habe ich mir das Thema anschaulich erklären lassen.

Forschungsdatenmanagement (FDM), kannst Du das Thema für einen Laien herunterbrechen?

Das kriegen wir hin. Der Begriff kommt vielleicht etwas aufgeblasen daher, in Wirklichkeit geht es aber um etwas, das jeder von uns gut kennt. Man muss sich nur die eigene private Datenhaltung vor Augen führen, den eigenen USB-Stick oder die private Bildersammlung. Wer kann schon von sich reinen Gewissens behaupten, dass er seine Dateiablage vollständig im Griff hat? Dabei ist das Grundprinzip ganz einfach: Lege Deine Dateien so ab, dass Du sie auch noch in 5 Jahren ohne Mühe wiederfindest! Und auf diesem Niveau kann man bei dem Thema eigentlich wirklich jeden abholen. Und obwohl es so einfach klingt, ist doch die konsequente Umsetzung viel schwerer. Auf Englisch lässt sich das besonders treffend ausdrücken: "It's simple, but not easy."

 
Das Prinzip und die Notwendigkeit leuchtet unmittelbar ein. Aber nun produziere ich zum Beispiel ja privat zwar Daten, aber keine Forschungsdaten...

Natürlich, Dein privates Chaos sei Dir unbenommen, aber die Forschung kann so nicht arbeiten, oder nicht mehr jedenfalls. Die Zeiten, in denen wir es noch mit überschaubaren Datenmengen zu tun hatten, sind einfach vorbei. Es fallen Unmengen an Daten an, und die müssen alle so abgelegt werden, dass wir sie mit minimalem Aufwand wiederfinden. Gerade an diesem Verhältnis von Aufwand und Nutzen beim Forschungsdatenmanagement beißt sich die Szene gerade die Zähne aus – denn die Forschenden wollen schließlich in erster Linie forschen und nicht den Großteil Ihrer Zeit mit dem Sortieren von Daten verbringen. Und für dieses Dilemma hat noch keiner den Schlüssel gefunden.

Und jetzt gibt es an der SLUB dieses Team Forschungsdatenmanagement, zu dem Du gehörst. Ihr sucht diesen 'Schlüssel'?

Sagen wir mal so: Unter anderem. Wir sind fünf Leute in diesem Team. Eines unserer zentralen Anliegen ist aktuell das Thema Beratung.

Beratung? Ihr helft den Forschenden, an der TU Dresden zum Beispiel, ihre Daten in den Griff zu bekommen und gut zu organisieren? Dann löst Forschungsdatenmanagement also letztlich individuelle Probleme?

Individuelle Probleme, die quasi alle haben, also sind sie verallgemeinerbar. Und es geht natürlich am Ende um einen überindividuellen Mehrwert.

Veröffentlichen, nachnutzbar machen, sowas. Verstehe ich das richtig?

Ja, natürlich. Um sich das anschaulicher vorstellen zu können, hilft vielleicht das Phasenmodell, mit dem wir in der FDM-Szene arbeiten: Wir unterscheiden "Private Domain", "Group Domain" und "Public Domain". Die Private Domain ist mein Laufwerk, mein USB-Stick. Die Group Domain beginnt dort, wo auch andere meine Daten verwenden - sie umfasst die Leute, mit denen ich aktiv zusammenarbeite, also meine Kollegen, meine HiWis, meine Doktoranden. An dieser Schnittstelle beginnt schon das Forschungsdatenmanagement. Da sollte jeder anfangen, nicht-relevante Daten aus seiner Ablage zu löschen zum Beispiel. Und da sind auch saubere und sprechende Dateinamen gefragt.

 
Repository, OpARA, Metadaten? Das sind wahrscheinlich auch Begriffe, die nicht gerade jedem geläufig sind. Fangen wir mit Metadaten an. Das sind Daten, die Daten beschreiben?

Ja, für viele ist der Begriff von der Aufladung her gleichbedeutend mit 'Zahnarztbesuch'. Im Prinzip sind aber Metadaten nur die konsequente Fortsetzung einer sauberen Dokumentation. Und ein anderes Wort für Repository wäre zum Beispiel Daten-Depot. OpARA ist ein Repository für Forschungsdaten, ein Angebot der TU Dresden. Es bietet nahezu unbegrenzt Speicherplatz. Datensätze, die dort hochgeladen werden, sind über das Internet ansteuerbar und werden über Suchmaschinen gefunden. Das Ziel ist, irgendwann dahin zu kommen, dass Datensätze genauso gefunden werden wie jetzt Papers und Journals. Dafür machen wir Lobbyarbeit, und daran forschen wir auch, zum Beispiel an der Frage, wie das niedrigschwelliger gestaltet werden kann, damit es besser genutzt wird. Wenn etwa zu viele Metadaten abgefragt werden, dann ist das ein ziemliches Hindernis - denn der damit verbundene Zeitaufwand führt im schlimmsten Fall dazu, dass die Wissenschaftler überhaupt keine Daten auf Repositorien hochladen. Hier verorte ich im Übrigen auch meine wichtigste Mission: ich sehe meinen Schwerpunkt gerade nicht auf der Seite der reinen Technik und der IT, sondern am Interface, an der Schnittstelle zum Nutzer und bei dessen praktischen Bedürfnissen und Möglichkeiten.

Das ist Dein Schwerpunkt, aber das ist in der 'Szene' kein Konsens, korrekt?

Das Thema Forschungsdatenmanagement beschäftigt zur Zeit sehr viele sehr fähige Leute, und die kommen zu zahlreichen unterschiedlichen Antworten, schon bei der grundlegenden Frage, was dieses FDM nun eigentlich sei: Eine technische Infrastruktur? Eine 'Kultur' oder ein 'Mindset'? Vielleicht eine Ansammlung von Policies? Dieser Diskurs ist gerade super spannend, und wir sind mittendrin - eine großartige Chance!

Ihr richtet diese Woche an der SLUB die erste Tagung zum Thema Forschungsdaten in Sachsen aus. Was ist davon zu erwarten und wie bewertet ihr die bisherige Resonanz, wird das Haus voll?

Bei dem Thema geht es erstmal grundlegend um Vernetzung und wissenschaftlichen Austausch zwischen sächsischen Forschungs- und Kultureinrichtungen. Wir werden einige Best-Practice-Beispiele kennenlernen und diskutieren, um anzudeuten, was Forschungsdatenmanagement leisten und welche Vorteile es bieten kann. Wir richten uns damit ganz ausdrücklich auch an solche Forschenden und Institutionen, die erst ganz am Anfang der Auseinandersetzung mit dem Thema stehen. Die Resonanz war überwältigend: Die Veranstaltung trifft offensichtlich einen Nerv und ist tatsächlich schon längst ausgebucht. Es gibt eine lange Warteliste. Das spricht doch für sich! Wir haben uns deshalb sogar entschlossen, den Vortragsteil per Video-Livestream zu begleiten.

Ich danke Dir sehr herzlich und wünsche Euch viel Erfolg mit dieser Veranstaltung!

 


Forschungsdaten in Sachsen: Planen - Organisieren - Nachnutzen. Diesen Donnerstag (19.09.2019) 09:30 Uhr - 16:00 Uhr. Die Tagung ist ausgebucht. Die Vorträge werden hier live per Video gestreamt!

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2 Kommentar(e)

  • Sam
    18.09.2019 06:53
    Stockfotos

    Das Thema FDM ist wichtig und ich freue mich, dass Ihr das macht. Bei der Auswahl von Stockfotos wünsche ich mir aber mehr Sensibilität & Qualität. Das Bild des Ertrinkenden passt überhaupt nicht zum Thema & weckt üble Assoziationen an die Mittelmeer-Katastrophe. Bitte mehr Achtsamkeit & lieber hauseigene Fotos

    • Nelly Ficzel
      18.09.2019 13:40
      @Sam

      Vielen Dank für den Hinweis, wir haben das Bild geändert. Die Fotoauswahl war rein metaphorisch und keinesfalls unsensibel angedacht, trotzdem möchten wir uns entschuldigen, wenn das Motiv unschöne Assoziationen geweckt hat. Wir werden das in unserer zukünftigen Bildauswahl noch achtsamer berücksichtigen. 

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