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Sachsens Filmerbe erobert den Geschichtsunterricht

In Zeiten von Corona gewinnen Filme als Unterrichtsmaterial immer mehr an Bedeutung. Eine Entwicklung, für die das Förderprogramm des Freistaates Sachsen zur Sicherung des audiovisuellen Erbes (SAVE) in Kooperation mit dem Filmverband Sachsen eine stetig wachsende Materialsammlung zur Verfügung stellt.

Der Leiter des Digitalisierungsprojekts, André Eckardt, hat beobachtet: "Aus den Schulen bekommen wir derzeit hilfreiche Rückmeldungen, in welchen Jahrgangsstufen die von uns digitalisierten Filme eingesetzt werden konnten. Wir versuchen nun unsererseits, den Wünschen von Lehrerinnen und Lehrern nachzukommen, und stellen den Filmen ergänzende Angaben von Zeitzeugen, Mitwirkenden und Nachkommen bei." So haben die Mitarbeiter der Koordinierungsstelle für das Programm kürzlich ein ausführliches Interview mit der Familie des ehemaligen Solobratschisten der Sächsischen Staatskapelle und passionierten Amateurfilmers Alfred Schindler geführt, dessen filmischer Nachlass demnächst in der digitalen Mediathek der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) veröffentlicht wird.

Die über fünfhundert digitalisierten Filme aus sächsischen Sammlungen, die für den Schulunterricht genutzt werden können, sind in der digitalen Mediathek der SLUB abrufbar. Bereits im ersten Programmjahr 2019 wurden im Rahmen von SAVE 29.000 Spielminuten digitalisiert – etwa anderthalb Stunden Geschichtswissen für jeden Tag des Jahres.

Darunter sind auch die beiden Filme "Pimpfe erleben den Grenzlandwinter" (1937) und "Wir Jungmädel im Grenzland" (1938), die aus dem privaten Archiv des Dresdner Filmemachers und -sammlers Ernst Hirsch stammen. Sie erzählen von aufregenden Wandertagen von Jungen und Mädchen, die eng in die nationalsozialistische Jugenderziehung eingebettet sind. Gedreht hat sie der Amateurfilmer Erich Schnabel, der bis 1938 als Lehrer an der Grunaer Schule, dem heutigen Erlwein-Gymnasium, arbeitete. Erich Schnabel, überzeugtes NSDAP-Mitglied und ehrenamtlicher Kameramann für die Gaufilmstelle Sachsen, nutzte seine Schüler nicht nur als Laiendarsteller, sondern auch ihre kindliche Begeisterung für die Arbeit am Film. Naturnahe Abenteuer und praktische Lebenshilfen gehen bei ihm Hand in Hand mit politischer Erziehung. Die Propaganda wird filmisch durch bewusste Unschärfen zwischen fiktionalen und dokumentarischen Mitteln kaschiert und gibt sich als ein neutral beobachtendes Zwitterwesen zwischen Kultur- und Lehrfilm. Inszeniert wie ein Wandererlebnis, treffen sächsische Mädchen vor der Kamera auf sudetendeutsche Jungs ihres Alters, getrennt durch einen Schlagbaum, dessen historische Herkunft nicht erklärt, aber emotional hinterfragt wird. Die deutsche Besetzung des Nordens der jungen Tschechischen Republik am 1. Oktober 1938 wird so in den jungen Köpfen vorbereitet.

Die digitalisierten Filme aus Ernst Hirschs Archiv können unter www.slubdd.de/hirsch eingesehen werden. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts finden sie an weiterführenden Schulen bereits Verwendung und dienen der Veranschaulichung des Alltagslebens von Schülerinnen und Schüler im Dritten Reich. Von den Lehrkräften kontextualisiert, können sie aufschlussreiche Einblicke in die politischen Umstände jener Jahre geben, veranschaulichen die Geschlechterrollen der Zeit sowie die Lebensumstände der so genannten "Grenzlanddeutschen".

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