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Für höhere Sichtbarkeit und breitere Vernetzung: Open Access im Bauingenieurwesen

Hoffnungsträger oder Sorgenkind – welche Rolle spielt Open Access im Bauingenieurwesen? Das wollten wir anlässlich der Internationalen Open Access Week 2020 von Prof. Christian Louter (TU Dresden) wissen. Seine Antworten lassen uns optimistisch in die Zukunft blicken.

Prof. Dr. ir. Christian Louter:

  • seit 2019 Professor und Direktor des Instituts für Baukonstruktion, Fakultät Bauingenieurwesen, Technische Universität Dresden
  • 2015-2019: Assistenzprofessor für Tragwerksplanung, Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen, Technische Universität Delft
  • Organisator der internationalen "Challenging Glass Conference" Reihe und Chefredakteur des Journals "Glass Structures & Engineering" (Springer)

Sie haben mehrfach Open Access (OA) publiziert. Was waren die maßgeblichen Gründe dafür, dass Sie diese Veröffentlichungsoption gewählt haben?

Für mich besteht der Vorteil von Open Access darin, dass ich frei kommunizieren und Forschungsergebnisse mit einem breiten Publikum teilen kann. Neben Gastwissenschaftler:innen an anderen Universitäten und Instituten gehören dazu auch Partner:innen aus Praxis (zum Beispiel Ingenieur:innen und Architekt:innen) und Industrie. Umfassende Verträge mit Verlagen sichern Wissenschaftler:innen anderer Universitäten meist den einfachen Zugang zu Publikationen. Für Praxispartner:innen und Industrie hingegen sind Forschungsergebnisse aufgrund der Bezahlschranken vieler Journals oft schwerer zugänglich. Open Access stehen sie auch für diese Zielgruppen direkt zur Verfügung und und können so auch leichter Anwendung finden.

Die Open Access-Verträge, die sowohl in den Niederlanden (wo ich zuvor gearbeitet habe) als auch in Deutschland geschlossen wurden, fördern das Open Access-Publizieren sicher weiter. Insbesondere für die Finanzierung von Open Access-Publikationen sind diese Verträge sehr hilfreich.

Ihre Publikationsliste weist sowohl Open- als auch Closed-Access-Veröffentlichungen auf. Welche Faktoren beeinflussen Ihre Entscheidung für die eine oder andere Veröffentlichungsvariante?

Leider ist es nicht immer möglich, Open Access zu veröffentlichen. Wenn ich eine Publikation vorbereite, schaue ich zunächst, welches Journal am besten zu meinem Thema passt. Dabei versuche ich immer, Open Access Journals den Vorrang zu geben, aber das funktioniert eben nicht in allen Fällen. Manchmal, wenn das Journal meiner Wahl die Möglichkeit bietet, Open Access zu veröffentlichen, scheitere ich auch an der Finanzierung der Open Access-Gebühren. Auch in diesem Fall muss ich mich schließlich für Closed Access entscheiden.

Wie schätzen Sie die Potenziale von OA in Ihrer Disziplin Bauingenieurwesen ein? Wird sich OA perspektivisch „von selbst“ durchsetzen oder stehen besondere, fachbezogene Faktoren dem entgegen? 

Ich denke, Open Access hat großes Potenzial im Bauingenieurwesen. Die Forschungsergebnisse in diesem Bereich – von der Grundlagen- bis zur Anwendungsforschung – sind von großem Nutzen und besonderem Interesse für Praxis und Industrie. Deshalb arbeiten wir bereits intensiv mit Praxis, Industrie und anderen Wissenschaftler:innen zusammen. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit Open Access-Publikationen weitere potenzielle Partner noch besser erreichen können, unseren Forschungsergebnissen breitere Anwendungsmöglichkeiten verschaffen und neue Kooperationen anstoßen. Open Access birgt fürs Bauingenieurwesen also erhebliche Vorteile und wird deshalb meiner Meinung nach dort in den kommenden Jahren auch eine immer größere Rolle spielen – insbesondere dann, wenn alle Wissenschaftler:innen noch besser über ihre Möglichkeiten informiert werden.

Empfehlen Sie Ihren Mitarbeiter:innen OA zu publizieren? Warum?

Meinen Kolleg:innen am Institut empfehle ich in jedem Fall, Open Access zu veröffentlichen. Open Access-Publikationen garantieren eine gute Sichtbarkeit sowohl für die Forschenden als auch für Universität, Fakultät und Institut. Es ist sehr wertvoll für Wissenschaftler:innen, auf diese Weise ein persönliches Netzwerk auf- und auszubauen, das für die weitere Forschung und Karriere nützlich ist. Darüber hinaus empfehle ich meinen Kolleg:innen, Links zu Open Access-Publikationen in den sozialen Medien zu teilen, um Austausch und Diskussionen über Forschungsergebnisse auch dort anzustoßen. Denn daraus könnten sich neue Forschungs- und Kooperationsmöglichkeiten ergeben, sowohl auf Institutsebene als auch direkt unter den Wissenschaftler:innen.

OA ist nur ein Teil eines offenen Wissenschaftskreislaufes. Ist eine offene Wissenschaftskultur mit z. B. quelloffener Forschungssoftware und frei zugänglichen und nachnutzbaren Forschungsdaten eine Perspektive für Sie und Ihr Fach?

Der offene Austausch von Forschungsdaten ist sicherlich eine interessante Option, die häufiger genutzt werden sollte. Ich forsche im Bereich Glasbau, einer vergleichsweise jungen Disziplin, wo es noch nicht so viele Daten, schon gar nicht offene Daten, gibt. Ein Open-Access-Austausch von Forschungsdaten wäre aus meiner Sicht vielversprechend, weil es anderen Wissenschaftler:innen ermöglicht, auf bestehenden Forschungsergebnissen aufzubauen und weitere Datenanalysen durchzuführen. Darüber hinaus ermöglicht es die Zusammenführung verschiedener Datensätze zu großen Datensätzen, aus denen zuverlässigere Statistiken abgeleitet werden können. Deshalb bin ich überzeugt, dass auch offene Forschungsdaten erhebliche Vorteile bergen. 


 
Das Gespräch führte Kay-Michael Würzner, Sprachwissenschaflter und Ansprechpartner für Beratungsangebote rund um den offenen Forschungskreislauf.

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