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Elfride Trötschel: zum Geburtstag ein Geschenk für uns

Zum Geburtstag der unvergessenen Dresdner Sängerin am 22.12. sind die ersten Aufnahmen unserer Elfride-Trötschel-Sammlung in der digitalen Mediathek hörbar.

Elfride Trötschel am Klavier 1953 (c) SLUB, Deutsche Fotothek, Hildegard Jäckel

Elfride Trötschel am Klavier 1953 (c) SLUB, Deutsche Fotothek, Hildegard Jäckel

Lang, sehr lang anhaltender Beifall. Nach etwa eineinhalb Minuten erst setzt das Klavier ein, ein paar Takte später eine Stimme – eine Stimme, die sofort in ihren Bann zieht: „Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und wehen Tag und Nacht, sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang!“.

Auch sechs Jahrzehnte nach ihrem Verklingen fasziniert sie den Hörer: Elfride Trötschels Stimme, ihr „filigraner, weicher Sopran, ihre Grazie“, wie ein Rezensent schreibt.

Elfride Trötschel, 1913 in eine Musikerfamilie geboren, früh verwaist und in einer Pflegefamilie zunächst vernachlässigt, bevor sie mehr Glück in einer anderen Pflegefamilie erfuhr, wurde mit 16 Jahren an der Dresdner Musikschule in Gesang ausgebildet  und wirkte im Chor der Semperoper mit, aus dem heraus sie von Karl Böhm 1934 als Solistin für das Dresdner Opernensemble entdeckt wurde. 

Schnell sang sie sich in die Herzen der Dresdnerinnen und Dresdner. Auch als sie seit 1948 Engagements in Berlin – an Felsensteins Komischer Oper, an der Staatsoper und der Städtischen (später Deutschen) Oper – annahm und nur noch gastweise nach Dresden zurückkehrte, hörten die Dresdner in der Trötschel immer eine der ihren. Und erwiesen ihr ihre Reverenz im langen Begrüßungsapplaus wie bei ihrem Konzert am 18. Juni 1956 im Kurhaus Bühlau. Dass es Elfride Trötschels letzter Liederabend in Dresden sein würde, war nicht zu ahnen, rückt die Intensität des Abends aber noch einmal in ein besonderes Licht. Mit- und nacherleben dürfen wir den Moment, indem ihn Elfride Trötschels Freund, der Arzt und Stimmenenthusiast Hermann Lauer, aufzeichnete und in einer Sammlung überlieferte, die einige ihrer Auftritte in Tonbandmitschnitten dokumentiert. Aus ihnen heraus ist die Unmittelbarkeit ihrer von Innigkeit – Beseelung, wie es in mancher Kritik heißt – durchdrungenen Interpretation deutlich zu spüren. Im Rahmen des Programms zur Sicherung des audiovisuellen Erbes Sachsen (SAVE) konnten die Tonbänder in den vergangenen Monaten digitalisiert und für eine schrittweise Veröffentlichung vorbereitet werden. Nun hoffen wir, mit der weiteren Ergänzung dieser digitalen Trötschel-Sammlung die Erinnerung an eine großartige Dresdner Stimme lebendig halten zu können.

Vergegenwärtigen die Tonaufnahmen die Sängerin Elfride Trötschel, so bezeugen etliche Bühnenfotos die Spielintensität der Darstellerin Elfride Trötschel. Zu ihrem Nachlass, welcher der SLUB von der Familie übergeben wurde, gehören neben der umfangreichen Tondokumentensammlung auch mehrere Künstleralben mit Fotos von Proben- und Aufführungssituationen, Künstlerbildern Trötschels in verschiedenen Rollen, Rezensionen, z.T. mit privaten Anmerkungen der Sammler. Unter ihnen befindet sich auch ein Erinnerungsalbum, das Charlotte Preiss, geborene Schurig, angelegt hat. Charlotte Schurig studierte mit Elfride Trötschel an der Musikschule Dresden und sang mit ihr im Opernchor. Hautnah erlebte sie Trötschels beginnende Sängerkarriere mit und dokumentierte sie im Album liebevoll – und ergänzt damit das überlieferte Bild um den Menschen Elfride Trötschel.

Die Persönlichkeit, der Mensch Elfride Trötschel, begegnet uns auch in den Bildern, die sie mit ihrem Sohn Andreas zeigen, in Bildern, die Einblick hinter die Kostüme ihrer verschiedenen Rollen erlauben und bis zu ihrem frühen Tod eine Reifung andeuten, die durch die Eindrücke der Kriegsjahre, des allmählich wieder beginnenden Spielbetriebs nach 1945, die Erfahrungen mit  dem "Regietheater" (ante verbum) eines Heinz Arnold oder Walter Felsenstein einherging und sich nicht zuletzt in ihrer Stimme niederschlug.

Die Weihnachtstage gehören ihrem Sohn und dem gemeinsamen Spiel, steht beispielsweise über dem Foto, das sie als Pamina mit Andreas auf dem Schoß zeigt und uns Elfride Trötschel in jener liebevollen, zugewandten, offenen und herzlichen Haltung zeigt, die von Kritikern und Freunden immer wieder betont wird. Deutlich wird sie auch in Trötschels Fähigkeit zu feiern, vor allem ihre Geburtstagsfeiern werden lebhaft erinnert. Dieser Tag, ihr Geburtstag, jährt sich heute wieder – und könnte auch uns Anlass zu einem kleinen Fest geben, dem Fest, das es ist, ihrer Stimme zu lauschen und uns von ihrer Innigkeit ebenso umfangen zu lassen, wie es – der Beifall bezeugt es – ihrem Publikum in Bühlau erging.

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1 Kommentar(e)

  • Dr. Andreas Trötschel
    27.09.2023 06:34
    Innigkeit heilt Seelenwunden

    Die liebevolle Aufarbeitung des künstlerischen Vermächtnisses von Elfride Trötschel entspricht in ganz subtiler Weise dem sängerischen
    Hauptschwerpunkt dieser Künstlerin: Die Lyrizität ihrer Stimme aus der Herzlichkeit ihrer Persönlichkeit.
    An dieser Stelle ist Dankbarkeit angezeigt für die biografische Einführung von Frau Katrin Bicher.