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Eine Dresdner Institution – Zum Tode von Ingrid Wenzkat

Es kommt selten vor, dass sich schon allein der Name einer Person sofort mit einem Bereich oder einem Begriff verbindet – bei Ingrid Wenzkat war es so. Schrieb sie in der Dresdner Zeitung „Die Union“ oder sprach sie bei Ausstellungseröffnungen – man konnte sicher sein, eine unverwechselbare Sprache zu lesen oder zu hören, eine Persönlichkeit zu erleben, die einzigartig war.

Fotografie: © Dörte Gerlach

1933 in Dresden geboren, ist sie Zeit ihres Lebens ihrer Heimatstadt treu geblieben, nur durch das Studium in Leipzig unterbrochen. Eine geplante Promotion kam nicht zustande, weil die Doktorväter in den Westen Deutschlands gingen.

Nach ihrem Studium war sie sechs Jahre als Lehrerin an der Erweiterten Oberschule in Dresden-Reick tätig. Die von ihren Schülern bis zu ihrem Lebensende liebevoll als „Schuffi“ (geborene Schuffenhauer) Angesprochene begeisterte diese so für die Kunst, dass mehrere von ihnen später Kunstgeschichte studieren sollten.

Ihre eigentliche Berufung startete aber erst, als sie 1961 für die Tageszeitung „Die Union“ zu schreiben begann und später das Kulturresort übernahm. Hier entstanden Artikel, die ihr Eintreten für die alte und neue Kunst und Kultur in vehementer Weise wiederspiegeln. Die jahrzehntelange Freundschaft mit Dresdner Künstlern wie Herta Günther, Gerda Lepke oder Hubertus Giebe nahm sie wörtlich. Widmungsexemplare, Künstlerbriefe und letztendlich Kunstwerke legen davon Zeugnis ab. Dabei lernte sie einen väterlichen Mentor kennen, der sie bis zu seinem Lebensende begleitete: Fritz Löffler, den Nestor der Dresdner Kunstgeschichte, bekannt geworden durch sein Buch „Das alte Dresden“. Der 36 Jahre ältere Löffler bestärkte und tröstete manchmal die Redakteurin, die oft einen Balance-Akt zwischen der Kunst und der offiziellen Kulturpolitik auszuhalten hatte. Es entsprach ihrem sprachlichen Habitus, Kritik und Begeisterung in und zwischen den Zeilen einzusetzen und dabei immer die fachliche Kompetenz nicht aus den Augen zu verlieren. 

Noch heute ist ihr Mut an dem letzten verbliebenen barocken Wohnhaus auf der Großen Meißner Straße sichtbar, einem Teil im Ensemble des jetzigen Bilderberg Bellevue Hotel Dresden. Zusammen mit Fritz Löffler war sie maßgeblich daran beteiligt, dass die Sprengung zu DDR-Zeiten in letzter Minute verhindert wurde. In diesen Jahren wahrlich ein einmaliger Akt.


Als Löffler bereits sehr krank war und wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, bat er Ingrid Wenzkat an sein Krankenbett, um ein Tonbandprotokoll über sein Leben aufzunehmen. Dieses aufschlussreiche Dokument wird heute in der Mediathek der SLUB aufbewahrt.

Zur Sächsischen Landesbibliothek und der heutigen SLUB bestanden seit langem Verbindungen.
Als eine der ersten Nutzerinnen sah sie den kompletten schriftlichen Nachlass von Fritz Löffler durch und veröffentlichte 1995 im Dresdner Hellerau-Verlag den Band „Visionen einer Stadt“.

Als 1994 im Buchmuseum der Verfasser des „Alten Dresden“ 1994 mit einer Ausstellung gewürdigt wurde, hielt Ingrid Wenzkat einen Vortrag über ihn, der damals aufgezeichnet wurde. 

Einen kurzen Ausschnitt aus diesem Vortrag können Sie hier hören:

So akribisch, aber auch leidenschaftlich sie ihre Arbeit organisierte, so „bestellte sie ihr Haus“, als es galt, ihren schriftlichen und künstlerischen Besitz für die Nachwelt zu sichern. Erste Schenkungen erfolgten bereits zu Lebzeiten an die SLUB. Sie trafen nun gewissermaßen im Handschriften-Archiv der Bibliothek auf ihren Freund Fritz Löffler. Auf diese Weise schließt sich der Kreis.

Werner Schmidt, späterer Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen, schrieb zu ihrem 75. Geburtstag: „Ihrem fachkundigen Urteil über das künstlerische Geschehen vertrauten die Leser auch deshalb, weil sie sich gegenüber dem ideologischen Druck behauptete und missliebige und oppositionelle Künstler, Autoren und Ereignisse nach künstlerischen Wert zu würdigen wusste. Sie war und ist eine Instanz im geistigen Dresden …“.

Ingrid Wenzkat verstarb kurz nach ihrem 87. Geburtstag am 6. Dezember 2020.

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