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Restitution von NS-Raubgut: SLUB gibt Bücher aus dem Eigentum Heinrich Klangs an Erb:innen zurück
Die Provenienz Heinrich Klang wurde im Rahmen einer Überprüfung der Bestände der ehemaligen Zweigbibliothek Rechtswissenschaften (aktuell Interimsstandort im Gebäude Z21) identifiziert. Die Arbeiten sind Teil des aktuellen Forschungsprojektes „NS-Raubgut in der SLUB (Bestände der Universitätsbibliothek)“, in dem die Bestände der Universitätsbibliothek Dresden (UB Dresden) auf NS-Raubgut-Fälle geprüft werden. Begonnen haben die Mitarbeiter:innen an den drei dezentralen Standorten der SLUB: den Zweigbibliotheken Rechtswissenschaft und Medizin sowie der Bibliothek Forstwissenschaft in Tharandt.
In der rechtswissenschaftlichen 12-bändigen Lexikonreihe von Carl von Rotteck und Karl Theodor Welcker befindet sich in jedem Band der Stempelaufdruck „Doris J. Klang“. In den Wiener Adressbüchern findet sich nur eine Person, deren Name sich plausibel auf das Exlibris beziehen lässt: Dr. James Klang.
Der Jurist und Versicherungsfachmann Dr. James Klang (1847–1914) hatte mit seiner Frau Caroline, geb. Rooz (1853–1917), drei Söhne: Heinrich (1875–1954), Marcell (1876–1942) und Fritz (1885–1941). Nach dem Tod von James Klang ging seine Bibliothek an seinen Sohn Heinrich über.
Heinrich Klang studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Nach seiner Promotion im Jahr 1897 schlug er die Richterlaufbahn ein und war u.a. am Landgericht Wien und Oberlandesgericht Wien tätig. 1903 erschien seine erste von insgesamt 775 wissenschaftlichen Publikationen. 1923 habilitierte sich Heinrich Klang an der Universität Wien, wo er anschließend als Privatdozent für bürgerliches Recht und ab 1925 als außerordentlicher Universitätsprofessor lehrte. Im selben Jahr trat er in die Redaktion der Juristischen Blätter ein, deren Mitherausgeber er im darauffolgenden Jahr wurde. Diese Funktion hatte er bis zum Jahr 1938 und ab 1946 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 inne.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 verlor Klang aufgrund seiner jüdischen Herkunft sowohl seine Anstellung als Richter als auch seine Lehrbefugnis. Seine Emigrations- und Fluchtversuche scheiterten. Am 24. September 1942 wurde Heinrich Klang in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Er überlebte den Holocaust und organisierte nach der Befreiung den ersten Rücktransport österreichischer Häftlinge nach Wien. Im November 1945 wurde er Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs und gehörte bis 1946 dem Verfassungsgerichtshof an. Bis 1951 lehrte er als Honorarprofessor wieder an der Universität Wien. Heinrich Klang starb im Januar 1954 in Wien.
Wie kam die Lexikonreihe aus dem Eigentum Klangs in den Bestand der UB Dresden?
Heinrich Klang berichtet selbst über die zunehmende Verfolgung jüdischer Bürger:innen durch die Gestapo und den erzwungenen Verkauf seiner Privatbibliothek wie folgt:
„Um nicht durch eine plötzliche Ausweisung in eine unmögliche Lage zu geraten, begann ich meinen Besitz langsam zu liquidieren. Am schwersten fiel mir wohl die Trennung von meiner Bücherei, mit deren Sammlung schon mein Vater begonnen hatte […]. Eine nicht übermäßige Anzahl konnte ich zu halbwegs anständigen Preisen an Antiquare in Leipzig, Berlin und Frankfurt a.M. verkaufen, während ich mit den Wiener Antiquaren die schlechtesten Erfahrungen gemacht habe […].“
Zitat aus Heinrich Klang: Heinrich Klang. In: Nikolaus Grass (Hrsg.): Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Innsbruck 1952, S. 132.
Informationen zur Erwerbung durch die UB Dresden lassen sich aus den Zugangsbüchern der Zweigbibliothek Rechtswissenschaft nicht gewinnen. Allerdings gibt die in Bleistift geschriebene Nummernkombination „39/25“ auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels des ersten Bandes Aufschluss über eine Zwischenstation der Bücher.
Zahlenkombinationen wie diese verwendete die Wiener Antiquariats- und Exportbuchhandlung Alfred Wolf, eine Profiteurin von zahlreichen liquidierten und "arisierten" Wiener Antiquariaten. Sie kennzeichnete die Klang`sche Bibliothek mit der Zahlenkombination „39/25“, wobei die „39“ für das Jahr des Wareneingangs (1939) und die „25“ für den codierten Vorbesitzer Heinrich Klang stehen. Der Antiquariatsbuchhändler Alfred Wolf, seit 1933 Mitglied der NSDAP, eröffnete nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 ein Antiquariat in Wien, dessen Warenlager er mit Buchbeständen verfolgter jüdischer Antiquare sowie Privatpersonen aus Wien füllte.
Wegen dieser Nummer ist zu vermuten, dass Heinrich Klang die zwölfbändige Lexikonreihe an das Antiquariat Alfred Wolf unter Wert verkaufen musste. Anhand der Inventarnummern der zwölf Bände kann geschlussfolgert werden, dass sie 1992 in den Bestand der UB Dresden eingegangen sind. Provenienzhinweise auf weitere mögliche Zwischenstationen gibt es in den Büchern nicht. Insofern blieb bisher ungeklärt, wo sie sich zwischen dem Verkauf in Wien und der Erwerbung durch die UB Dresden befunden haben.
Aufgrund der erwiesenen Verfolgung Heinrich Klangs durch die Nationalsozialisten und den verfolgungsbedingten Verkauf seiner Bibliothek sind die in der SLUB ermittelten Bände als NS-Raubgut zu bewerten. Im Fall von erwiesenem NS-Raubgut betrachtet sich die SLUB nicht als Eigentümerin der in ihrem Bestand befindlichen Objekte. Sie bemüht sich um eine Rückgabe an die Eigentümer:innen oder um andere gerechte und faire Lösungen im Sinne der „Washingtoner Erklärung“.
Die Recherchen in der SLUB erfolgten in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Kommission für Provenienzforschung, deren Mitarbeiter:innen federführend die Provenienz Heinrich Klang erforschen.
Nun konnten die insgesamt 25 Werke in 42 Bänden aus dem Eigentum Heinrich Klangs, welche an der SLUB Dresden und sieben weiteren Bibliotheken in Deutschland und Österreich identifiziert wurden, gemeinsam an seine Erb:innen zurückgegeben werden.
„In Erinnerung an Heinrich Klang und in Absprache mit dem Obersten Gerichtshof in Wien wird seitens der Erb:innen geplant, die Bücher im kommenden Jahr an die Bibliothek des OGH zu übergeben“, erklärt Markus Stumpf, der Leiter der NS-Provenienzforschung der Universitätsbibliothek Wien.
Zum Weiterlesen
- Heinrich Klang: Heinrich Klang. In: Nikolaus Grass (Hrsg.): Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Innsbruck 1952 (= Schlern-Schriften, Band 97), S. 117–135.
- Lisa Frank / Regina Zodl: Das Exlibris Doris J. Klang als Beispiel eines bibliotheksübergreifenden Provenienzfalls. In: Künstliche Intelligenz in Bibliotheken: Tagungsband 34. Österreichischer Bibliothekartag Graz 2019, hrsg. v. Köstner, Christina und Stadler, Elisabeth und Stumpf, Markus. Graz: Unipress Verlag, 2020 (= Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB); Band 15), S. 313–325.
- Lisa Frank: Heinrich Klang, in: Lexikon der österreichischen Provenienzforschung: https://www.lexikon-provenienzforschung.org/klang-heinrich (06.12.2022).
- Walter Mentzel: Alfred Wolf. Reise- und Versandbuchhandlung, Antiquariat und Export, in: Lexikon der österreichischen Provenienzforschung: https://www.lexikon-provenienzforschung.org/wolf-alfred-reise-und-versandbuchhandlung-antiquariat-und-export (06.12.2022).
- Klang, Prof. Dr. Heinrich, in: www.ghetto-theresienstadt.info. Theresienstadt 1941–1945 – Ein Nachschlagewerk, URL: www.ghetto-theresienstadt.de/pages/k/klangh.htm (06.12.2022).
Die restituierten Werke
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 1. Aachen – Auswanderung. Altona: Hammerich, 1845.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 2. Ausweisung – Calmarische Union. Altona: Hammerich, 1846.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 3. Calvin – Deutsches Landes-Staatsrecht. Altona: Hammerich, 1846.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 4. Deutsches Reich – Forstwesen. Altona: Hammerich, 1846.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 5. Fourier's – Girobank. Altona: Hammerich, 1847.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 6. Glarus – Hessen-Homburg. Altona: Hammerich, 1847.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 7. Hexenprozess - Jüstemilieu. Altona: Hammerich, 1847.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 8. Justiz – Meineid. Altona: Hammerich, 1847.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 9. Geschichte d. Menschheit – Notariat. Altona: Hammerich, 1847.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 10. Notstand – Praxis. Altona: Hammerich, 1848.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 11. Pressefreiheit – Schiffahrt. Altona: Hammerich, 1848.
- Rotteck, Carl von / Welcker, Karl Theodor [Hrsg.]: Das Staats-Lexikon. Band 12. Schlözer – Zollverein. Altona: Hammerich, 1848.
Die restituierten Bände wurden in der SLUB Dresden im Rahmen des Provenienzforschungsprojektes „NS-Raubgut in der SLUB (Bestände der Universitätsbibliothek)“ identifiziert. Das Forschungsvorhaben wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanziert.
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