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Fritz Geißler zum 100. Geburtstag

Vor 100 Jahren, am 16. September 1921, wurde Fritz Geißler geboren. Dieser Jahrestag ist uns willkommener Anlass, seine Werke stärker in den Fokus zu rücken.

Fritz Geißler sitzt mit einem Schüler am Flügel.

Fritz Geißler mit einem Schüler am Flügel. Fotografie von Evelyn Richter, Leipzig, 1968. Eigentümer: SLUB / Deutsche Fotothek

Konzert zum 100. Geburtstag Fritz Geißlers am 23. Mai 2022

Endlich können wir es nachholen: unser Jubiläumskonzert zum 100. Geburtstag Fritz Geißlers:

Am 23. Mai 2022 spielt das Dresdner Kronenquartett 19.30 Uhr im Klemperersaal der SLUB die drei Streichquartette Fritz Geißlers und schlägt damit einen Bogen von seinem op.1 (1953) bis zu einem seiner letzten Werke von 1982/83. Nähere Informationen zum Konzert finden Sie in unserem Konzertkalender.

Mit Recht wohl kann Fritz Geißler als eine der prägenden Figuren zeitgenössischer Musik in der DDR beschrieben werden. Als Komponist, als Lehrer, als Gremienvertreter im Komponistenverband der DDR - vielfältig gestaltete er das Musikleben der DDR von den frühen 1950er Jahren an bis zu seinem Tod 1984 aktiv mit. Allein elf Sinfonien enthält sein Gesamtwerk, daneben Opern, Konzerte, Oratorien, Ballette, Kantaten, Kammermusik ... - kaum eine Gattung, die Geißler nicht genutzt hätte. Dabei diente sein Komponieren bei aller Expressivität nicht dem Selbstzweck, "nur" äußere Form zu geben für einen Ausdruck aus innerer Notwendigkeit. Geißler war vielmehr immer auf der Suche nach dem Gespräch mit dem Partner, dem Hörer, dem Publikum. Kunst war Geißler nicht nur Bild, sondern Kommunikation. Eine Brücke versuchte er zu schlagen zwischen adäquaten, zeitgemäßen Ausdrucksmitteln und der Verständigung mit dem Publikum. Musik ohne - angesprochene, verstehende - Hörer, war ihm nur halbe Sache. Seine frühen 12-tönigen "sieben Klavierstücke für Charlotte" - keine Kinderstücke, wie der Titel nahelegen mag, sondern ziemlich schwer und viel zu weitgriffig für Kinderhände - beispielsweise sind von klarer Luzidität, eingehender Fasslichkeit und doch Beispiel für eine der frühesten Auseinandersetzung mit Dodekaphonie in der DDR, deren Kulturfunktionäre die 12-Tönigkeit bekanntlich als unverständlich, als feindlich sogar verpönten und dem monolithischen Prinzip des "Sozialistischen Realismus" gegenüberstellten und etliche Komponisten, die sich experimenteller Mittel bedienten u.U. schwer, z.B. mit Aufführungsverboten, bestraften.

Geißler gelang beides - 12-Tönigkeit, Serialität, Aleatorik auf der einen, Fasslichkeit, programmatische Titel, an einigen späteren Stellen auch ästhetische Rückgriffe auf historische Musikidiome auf der anderen Seite. Staatlichen, kulturpolitischen Repressionen war Geißler zwar an einigen biographischen Punkten durchaus auch ausgesetzt und manche Idee konnte er nicht wie geplant umsetzen, grundsätzlich aber galt er der DDR als in Fragen der anzuwendenden musikalischen Mittel streitbarer aber integrer Komponist, die meisten seiner Werke waren anerkannt, fanden Platz in den großen Häusern der vielfältigen Kulturlandschaft in der DDR und erreichten so ein breites Publikum.

Seit 1990 allerdings teilen sie das Schicksal etlicher anderer Kompositionen aus der DDR, die es zum großen Teil nur noch sehr selten in die Programme und Spielpläne der Konzerthäuser, Orchester und Sender schaffen und aus dem öffentlichen Bewusstsein inzwischen nahezu verschwunden sind.

Dabei lohnt sich der Blick bzw. das Ohr auf den ästhetischen Gehalt der Kompositionen, die zwischen 1949 und 1990 in Ostdeutschland entstanden sind, durchaus und manche Überraschung wartet hier, wieder entdeckt zu werden. Geißlers Ironie, seine in vielen Werken verborgene Komik z.B. könnte einen so irritierenden wie frischen Kontrapunkt zur Gegenwart stellen - dabei zwar der ursprünglichen unmittelbar zeitbezogenen gesellschaftlichen Aussagen entledigt, nicht aber des grundsätzlichen Ethos' seines Werkes: gesellschaftlich wirksame Kunst zu sein.

Einige Werke Fritz Geißlers sind im Archiv für zeitgenössische Komponisten der SLUB überliefert und könnten sofort wieder aufgeführt werden - und vielleicht ist gerade jetzt die Zeit dafür gut? Vor 100 Jahren, am 16. September 1921, wurde Fritz Geißler geboren und dieser Jahrestag ist ein willkommener Anlass, seine Werke stärker in den Fokus zu rücken, sie wieder zu Gehör zu bringen. Eine erste Gelegenheit dazu bot im vergangenen Jahr der Musikkulturverein Mitteldeutschland, eine weitere erhalten wir mit einer Veranstaltung bei uns im Klemperersaal am 23. Mai 2022, bei der Geißlers drei Streichquartette gespielt werden und damit einen Bogen um seine gesamte kompositorische Biographie schlagen.

Eine Möglichkeit, nicht nur einen wichtigen Komponisten der DDR, sondern v.a. einen äußerst interessanten und reizvollen Komponisten der jüngeren Geschichte (neu) zu hören - damit beschenken wir Sie und uns selbst anlässlich seines 100. Geburtstages. In diesem Sinne: "save the date"!

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