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„... und dann war alles, alles gut“ – Erinnerungen an Gottfried Benndorf und die Zerstörung der Sächsischen Landesbibliothek 1945

Als die verheerenden Bombenangriffe am 13. Februar 1945 Dresden trafen, blieb auch das damalige Domizil der Sächsischen Landesbibliothek im Japanischen Palais nicht verschont. Anlässlich des 78. Jahrestages der Zerstörung hat Katrin Nitzschke, langjährige Mitarbeiterin der Bibliothek, den Sohn des damaligen Leiters der Kartensammlung getroffen. Seine Erinnerungen machen auf eindringliche Weise deutlich, wie stark die Geschichte der Bibliothek mit dem Schicksal der Familie verknüpft war.

Ruine des Japanischen Palais, 1949 (c) SLUB/ Deutsche Fotothek

Ruine des Japanischen Palais, 1949 (c) SLUB/ Deutsche Fotothek

„Am Morgen des 14. [Februar 1945] bin ich - nachdem in der Schule keine Lehrer da waren - in meiner Hitlerjugenduniform in die Stadt gegangen. Die Straßenbahn endete in Mickten. Die Feuerzone begann kurz vor dem Erfurter Platz. Entgegen kamen rußgeschwärzte Menschen, mit irgendwelchen Habseligkeiten, Köfferchen, einige irrsinnig lachend, einige ohne Haare. Eine danteske Scene, ich habe geheult. Bei Stadt Metz lagen Tote. Ich kam bis zu den beiden Thormeyerhäusern, da hielten mich Soldaten auf wegen Blindgängern. 100m entfernt brannte das Palais ... Da wollte ich von der anderen Seite, über die Augustusbrücke, zur LaBi. Die Marienbrücke war beschädigt, aber gangbar, so gelangte ich am brennenden Erlweinspeicher vorbei bis zur noch glühenden Oper. Plötzlich konnte ich nicht mehr, überwältigt vom Anblick und dem furchtbaren Geruch ... ging den gleichen Weg zurück.“

Der Verfasser dieser Zeilen, heute 89 Jahre alt, war auf der Suche nach seinem Vater Gottfried Benndorf, dem Leiter der Kartensammlung der Sächsischen Landesbibliothek, die er liebevoll Labi nennt, weil der Vater nicht nach Hause in Radebeul gekommen war. Dieser hatte in der Nacht vom Faschingsdienstag zum Aschermittwoch nächtlichen Bereitschaftsdienst gehabt. Beim Versuch, auf dem Dachboden die Flammen zu löschen, war er zusammen mit dem Hausmeister, dem Hilfsheizer und einem Bibliotheksgehilfen ums Leben gekommen.

Erst über ein Jahr später, bei Aufräumarbeiten am 9. Mai 1946, wurden die sterblichen Überreste im Japanischen Palais gefunden. Benndorfs Sohn erinnert sich:

„Die Identifizierung der vier Verbrannten auf dem Dachboden der LaBi war für Ehefrau/Mutter und den 11-Jährigen ein nicht in Worte zu fassendes Geschehen. Das metallene Gehäuse seiner Armbanduhr gab den Hinweis. Die Aschereste schob ich mit der Hand auf ein Papier, so kehrte er in seiner Aktentasche heim. In der Straßenbahn rangen wir mit unserer Fassung, aber das erlebte man, als die Trümmerberäumung anfing, oftmals ... Der Vater wurde in einer kleinen Schatulle, die ein befreundeter Schreiner rasch angefertigt hatte, am 16. Mai 1946 beigesetzt.“

Die Besuche im Japanischen Palais verbindet der Sohn mit berührenden Erfahrungen:

„Die Arbeitsstätte meines Vaters kannte ich recht gut, anlässlich der gefürchteten Besuche beim Zahnarzt in der Schloßstraße, der ein Tübinger Studienfreund der Mutter war. Nach überstandener Tortur durften wir uns bei Spielzeug-Zeumer etwas aussuchen und dann schnell in die LaBi zum Vater. Ich sehe ihn noch, wie er im weißen Arbeitsmantel die Treppe herabschwebte, dann war alles, alles gut!“

Wenige Jahre später ist es genau dieser Ort, wo nichts mehr gut war.

2018 kehrte der ehemalige Leiter der Kartensammlung noch einmal symbolisch in das Japanische Palais zurück. Es war die Ausstellung „Museum of Untold Stories“, in der Mitarbeiter:innen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden über ihre ausgewählten Exponate berichteten. Holger Birkholz, Konservator an der Galerie Neue Meister, beschrieb dort, wie er zwei Bände von Hermann Hesse in einem Antiquariat entdeckte, die mit einem Besitzvermerk von Gottfried Benndorf versehen waren.

Als der Sohn Anfang des Jahres 2023 zum ersten Mal diesen Eintrag las, bemerkt er:

„Bei Ansicht der Handschrift meines Vaters ist mir in Wehmut ganz warm ums Herz geworden ... Mein Vater hatte eine respektable Reihe Hesse im blauen Einband im Bücherschrank, er verehrte ihn sehr … So sind also die LIBELLI wieder in die richtigen Hände gekommen, das freut mich sehr!“

Johann Gottfried Benndorf, geboren 1895 in Roitzschen, jetzt einem Ortsteil der Gemeinde Klipphausen, legte sein Abitur am König-Georg-Gymnasium in Dresden-Johannstadt (heute Zahnklinik des Uniklinikums) ab und studierte anschließend in Leipzig Geschichte, Germanistik und Geographie. Nach der Promotion 1918 bestand er im gleichen Jahr die Staatsprüfung für das höhere Schulamt. Wegen einer Kehlkopferkrankung konnte er den Lehrerberuf nicht ausüben und bewarb sich deshalb um eine Stelle an der Sächsischen Landesbibliothek. 1919 als Volontär angenommen, wurde er zwei Jahre später als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter eingestellt. 1927 erhielt er den Titel Landesbibliothekar, hatte aber schon 1926 die Leitung der Kartensammlung übernommen. 1929 heiratete er Helene Richter und wohnte mit seiner Familie in Radebeul.

Helene Benndorf, geb. Richter (1897-1984) stammte aus Bad Schandau, machte ihr Abitur in Dresden und belegte anschließend die Studienfächer Germanistik, Geschichte und Volkswirtschaft an den Universitäten in Tübingen, München, Göttingen und Leipzig, die sie mit einer Promotion 1923 abschloss – für damalige Verhältnisse noch nicht die Regel für Frauen. Auch sie absolvierte ein Volontariat an der Sächsischen Landesbibliothek, war zeitweise in der Stadtbibliothek tätig und leitete 1926-1929 die Sekundogenitur-Bibliothek des Hauses Wettin, die 1928 in das Schloss Moritzburg umzog, bevor sie wieder in das Japanische Palais zurückkehrte. Nachdem sie 1929 Gottfried Benndorf geheiratet hatte, musste sie die Landesbibliothek verlassen und trat erst nach dem Tod ihres Mannes wieder in den Bibliotheksdienst ein. 1946 erhielt sie eine Versetzung an die Bibliothek der Technischen Hochschule, als deren erste weibliche Direktorin sie von 1948 bis 1958 tätig war. Unter ihrer Leitung erfolgte der Wiederaufbau der Bibliothek zu einer leistungsfähigen Einrichtung.

Am heutigen 13. Februar gedenken die Dresdnerinnen und Dresdner, Initiativen, Vereine und Kultureinrichtungen mit verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen der Zerstörung weiter Teile des Dresdner Stadtzentrums durch alliierte Luftangriffe vor 78 Jahren. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, ein Zeichen für den Frieden und gegen Gewalt und Kriegsherrschaft zu setzen. Eine Programmübersicht ist hier zu finden.

Die SLUB beteiligt sich an der Plakataktion "Wessen Krieg, Wessen Frieden" von 19 Dresdner Kulturinstitutionen und Initiativen an neun zentralen Plätzen. Für den gemeinsamen Beitrag mit dem Deutschen Hygiene-Museum hat die ukrainische Künstlerin Oleksandra Kulikovska vor dem Hintergrund des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens eine Arbeit zum Krieg Russlands gegen ihr Land geschaffen. "Point of no return" noch bis 19. Februar 2023 auf dem Neustädter Markt am Goldenen Reiter zu sehen. Hier lesen Sie mehr darüber.

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