SLUBlog
Eine Strategie für die Bürgerwissenschaften in Deutschland
Zwei Jahre Strategieentwicklung finden morgen im Botanischen Garten Berlin ein vorläufiges Ende: Ab 10 Uhr wird dort öffentlich das Weißbuch "Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland" präsentiert. Über 200 Mitwirkende in einem Konsortium von Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Fraunhofer-Gesellschaft zusammen mit universitären und außeruniversitären Partnern diskutieren darin Entwicklungen, Potenziale und Herausforderungen von Citizen Science für die kommenden Jahre. Das Thema der Zusammenarbeit von professionellen und ehrenamtlichen Forschenden ist auch für die SLUB ein wichtiges Handlungsfeld. Nicht ohne Grund lautet einer der Leitsätze unserer SLUB-Strategie 2025 "Menschen machen Bibliotheken". Um diese Zusammenarbeit in der Bearbeitung von Forschungsfragen mit offenen Methoden und Werkzeugen in Kultur- und Gedächtniseinrichtungen wie der SLUB weiter voranzubringen, haben wir uns seit Mitte 2020 in der Arbeitsgruppe "Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden" des Weißbuches engagiert: Martin Munke, Referatsleiter Saxonica, hat gemeinsam mit drei Kolleginnen anderer Einrichtungen das entsprechende Kapitel im Weißbuch koordiniert. Im SLUBlog haben wir zuletzt im August 2021 davon berichtet. Und nun liegt das Ergebnis vor, das die weitere Behandlung des Themas in den kommenden Jahren prägen soll.
Aber was ist das eigentlich, ein "Weißbuch"? Der Begriff stammt ursprünglich aus der Politik und bezeichnet dort ein offizielles Dokument, das die Leitlinien eines Staates oder einer Staatengemeinschaft wie der Europäischen Union in einem bestimmten Politikfeld wie z.B. der Außen- oder Sicherheitspolitik definiert und erläutert. Allgemein gesprochen werden in einer solcher Veröffentlichung "Vorschläg(e) zum Vorgehen in einem bestimmten Bereich" (Definition nach Wikipedia) unterbreitet. Und genau das will das Weißbuch für den Bereich Citizen Science in Deutschland erreichen: Es stellt eine Strategie mit 94 Handlungsempfehlungen vor, mit deren Hilfe Citizen Science bis 2030 gestärkt werden kann, um an der Nahtstelle zwischen Bürgerwissenschaft und Bibliothekspersonal innovative Beiträge in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zu leisten. Dazu wurden für alle 15 Handlungsfelder des Weißbuches eine Kernaussage formuliert, die die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasst und Stärken, Bedürfnisse, Möglichkeiten und Herausforderungen identizifiert. Ein darauf aufbauendes Leitbild skizziert die Vision, wo wir im Jahr 2030 mit diesem Handlungsfeld stehen wollen. Für den Bereich der Kultur- und Gedächtniseinrichtungen liest sich das so:
Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden haben eine lange Tradition als Bindeglieder zwischen Forschung und Zivilgesellschaft und bieten daher langfristige physische und konzeptionelle Räume für Citizen Science mit großer Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern. Als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schaffen sie damit innovative Räume und Möglichkeiten des gemeinsamen Experimentierens und Lernens.
Leitbild: Im Jahr 2030 verstehen sich Archive, Bibliotheken, Museen und Wissenschaftsläden sowie andere Institutionen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit als Wissensräume und Bildungsstätten mit institutioneller Vermittlungsaufgabe und in diesem Sinne als Gedächtnis- und Transferorganisationen. Citizen Science ist als Forschungs- und Transferansatz ein fester Bestandteil in den Leitbildern und im Selbstverständnis von Institutionen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit zur aktiven Zusammenarbeit mit Bürger:innen. Als etablierte Anlaufstellen für Fachgesellschaften und bürgerliches Engagement verbinden sie Wissenschaft und Gesellschaft.
Der Schreibprozess des Weißbuchs war ein Ausdruck dieser Zielvorstellungen: mit offenen Beteiligungsformaten, Austauschforen, Diskussionsveranstaltungen und kollaborativer Schreibarbeit. Formate wie diese sollen uns helfen, unsere Einrichtungen noch stärker zu einem Motor für gesellschaftliches Engagement und Bildung zu machen. Dazu sind innerhalb der Institutionen weitere Schritte nötig, etwa indem aktiv die Zusammenarbeit mit Nutzenden gesucht und gefördert wird. Das können wir nicht allein, sondern nur in der Kooperation der Institionen untereinander, aber auch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren wie gemeinnützigen Vereinen. Unterstützen können wir zum Beispiel, indem wir Räume, Technik und Werkzeuge bereitstellen. Ingesamt gilt es das Bewusstsein zu stärken, dass gerade auch die ehrenamtliche Forschung einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung vieler Fragen leisten kann.
Und wie kann ich als Interessierte/r jetzt konkret mitmachen? An der SLUB gibt es einige Möglichkeiten dazu:
- Unsere Digitalen Sammlungen liefern mit ihren historischen Quellen viel Inspiration zur Entwicklung und Bearbeitung eigener Forschungsprojekte.
- Im Projekt "Dresdner Totengedenkbuch 1914-1918" kann eine wichtige Sammlung zur Dresdner Stadtgeschichte im Ersten Weltkrieg gemeinschaftlich für die Forschung erschlossen werden.
- Das Virtuelle Kartenforum bietet die Möglichkeit zur Georeferenzierung historischer Karten.
- In der Deutschen Fotothek können über die Kommentarfunktion weiterführende Informationen zu den einzelnen Inhalten beigetragen werden.
- Weitere Möglichkeiten zeigen wir auf unserer Übersichtsseite zum Thema Citizen Science sowie in einzelnen Beiträgen im landeskundlichen Blog Saxorum.
Überregional enthält die Plattform Bürger schaffen Wissen eine Übersicht zu Projekten und Vorhaben an, an denen sich jede/r beteiligen kann. Viel Spaß dabei!
Veröffentlichte Version des Weißbuchs: https://doi.org/10.31235/osf.io/ew4uk
Programm der Launch-Veranstaltung: https://www.buergerschaffenwissen.de/citizen-science-strategie-2030-fuer-deutschland-launch-und-citizen-science-fest
Seiten zur AG Weißbuch beim Netzwerk "Bürger schaffen wissen": https://www.buergerschaffenwissen.de/netzwerk/ag-weissbuch
Citizen Science an der SLUB im Blog des Open Science Labs: https://osl.hypotheses.org/tag/citizen-science
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