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Deutsche Fotothek unterwegs: Große Retrospektive „Dirk Reinartz. Fotografieren, was ist“ im LVR-LandesMuseum Bonn
Dirk Reinartz, geboren 1947 in Aachen, begann seine Karriere in den frühen 1970er Jahren. Als damals jüngster Fotoreporter, noch Student der Fotografie bei Otto Steinert an der renommierten Folkwangschule in Essen, nahm er seine Tätigkeit für den stern auf. Für das Hamburger Magazin fotografierte er weltweit zahlreiche Reportagen. 1978 schloss er sich der kooperativ organisierten Fotoagentur VISUM in Hamburg an. Als freier Bildjournalist veröffentlichte Reinartz ab 1981 u.a. im Stern, in Merian und insbesondere im Zeit-Magazin und in der Kunstzeitschrift art. Seit 1983 arbeitete er eng mit dem Bildhauer Richard Serra zusammen. Von 1998 bis zu seinem Tod 2004 lehrte Dirk Reinartz Fotografie an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.
Dirk Reinartz war ein aufmerksamer, kritischer, aber immer empathischer Beobachter seiner Zeit. Er suchte im Vertrauten das Fremde und im Fremden das Vertraute. Nach Jahren intensiven Reisens widmete er sich vor allem der komplexen Frage einer deutschen Identität, in all ihren Widersprüchen, historischen Verankerungen und der Neuorientierung nach 1989. Seine Fotografien zeichnen sich durch eine höchst präzise Bildsprache aus, durch kluge Kompositionen, die Situationen durchleuchten und offenlegen, was ihnen historisch, gesellschaftlich oder politisch eingeschrieben ist, teils unterlegt mit subtilem Humor.
Der Nachlass umfasst etwa 370.000 Negative, rund 100.000 Dias sowie mehr als 10.000 Abzüge und zahlreiche Dokumente wie Korrespondenzen, Buchdummies und Publikationsbelege. Die aus diesem Material erarbeitete Retrospektive gibt nun erstmals umfassend Einblick in alle Schaffensphasen. Rund 350 fotografische Arbeiten sowie zahlreiche bislang unveröffentlichte Archivdokumente bezeugen Dirk Reinartz’ herausragendes bildjournalistisches und fotografisches Wirken. Von ersten Studienarbeiten über frühe Auslandsreisen nach Grönland, in die USA oder nach Indonesien und Reportagen zu innerdeutschen Themen für die ZEIT wird der Bogen gespannt bis zu seinen freien Arbeiten, die in Fotobücher wie Kein schöner Land (1989), Bismarck. Vom Verrat der Denkmäler (1991), Deutschland durch die Bank (1997) oder Innere Angelegenheiten (2003) mündeten. Präsentiert wird das fotografische Lebenswerk entlang thematischer Spannungsfelder wie Nähe/Ferne, Macht/Ohnmacht, Geschichte/Gegenwart, oder deutsch/deutsch, die Dirk Reinartz zeit seines Lebens beschäftigt haben. Besonderen Raum nimmt das über mehrere Jahre verfolgte, unter dem Titel totenstill (1994) veröffentlichte Projekt ein, das auf eindringliche Weise architektonische Relikte ehemaliger nationalsozialistischer Konzentrationslager in den Blick nimmt.
Die Recherchen im Nachlass brachten auch bislang unveröffentlichtes Material hervor, wie eine 1976 in den USA entstandene Serie an Farbdias, ganz im Stil der damals virulenten New Colour Photography fotografiert. Daraus wurde eigens für die Ausstellung eine farbintensive Leuchtkasteninstallation mit der Anmutung eines Roadmovies entwickelt.
Die Ausstellung geht hervor aus der langjährigen Kooperation des LVR-LandesMuseums Bonn mit der Deutschen Fotothek und der Stiftung F.C. Gundlach in Hamburg. Sie ist zugleich Teil des umfangreichen Ausstellungsprogramms, das die Deutsche Fotothek anlässlich ihres 100jährigen Bestehens in 2024 im Buchmuseum der SLUB und andernorts präsentiert. Ein umfangreicher Katalog zur Ausstellung erscheint im Göttinger Steidl Verlag.
Zu sehen ist die Retrospektive im LVR-Landesmuseum Bonn noch bis zum 15. September 2024.
LVR-Landesmuseum Bonn | Colmantstr. 14–16 | 53115 Bonn
Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag 11–18 Uhr
Informationen zum Begleitprogramm Informationen zum Jubiläumsprogramm der Deutschen Fotothek
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