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SLUB gibt NS-Raubgut an die Erbin von Hugo Simonstein und Gertrud Prager zurück

Als NS-Raubgut eingestuft und restituiert wurde ein Buch aus dem Eigentum von Hugo Simonstein an die Nachfahren seiner Ehefrau Gertrud Prager, welche als Jüdin durch das Nazi-Regime verfolgt und ermordet wurde.

Autorenwidmung von Kurt Berns-Matull an Dr. Hugo Simonstein sowie die mit Bleistift geschriebene Signatur des Letzteren

„Meinem geschätzten Kollegen in Apoll – Freund und Arzt Dr. Simonstein i. Verehrung überreicht von seinem [Kurt Berns-] Matull Revolutionsjahr [19]19.“ Diese Widmung Kurt Berns-Matulls sowie die nebenstehende Bleistiftsignatur bildeten den Ausgangspunkt der Provenienzrecherchen zu dem Buch Der rote Pfarrer: Drama in 4 Akten aus den amerikanischen Kohlenfeldern.

Hugo Simonstein wurde am 13. Juli 1882 in Schneidemühl (Pommern) als Kind von Salomon Simonstein (1843–1905) und Ernestine Simonstein, geb. Lesser (1848–1929), geboren. Er hatte zwölf Geschwister. Hugo Simonstein praktizierte als Arzt in Berlin, wo er mit seiner Frau Renate Gertrud lebte. Das seit dem 8. März 1913 verheiratete Ehepaar blieb kinderlos. Hugo Simonstein starb im Alter von nur 44 Jahren am 18. August 1926 in Berlin. Gertrud Simonstein wurde am 10. November 1890 als Tochter von Mauschel Witkowski und Flora Witkowski, geb. Levy, in Berlin geboren. Nach dem Tod Hugo Simonsteins lebte sie weiter in Berlin und war seit 1935 in zweiter Ehe mit Paul Prager verheiratet. Gertrud Prager wurde am 18. Oktober 1941 in das Konzentrationslager Litzmannstadt (Łódź), am 8. Mai 1942 weiter in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) deportiert und dort ermordet. Nach dem Tod Simonsteins 1926 ist es sehr wahrscheinlich, dass seine Frau Gertrud die letzte Eigentümerin des Buches war. Aufgrund dessen ist das Buch mit der Widmung an Hugo Simonstein als NS-Raubgut zu bewerten.

Am 11. Juli 1994 inventarisierte die Sächsische Landesbibliothek das Buch in ihrem Bestand mit der Angabe der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände (ZwA) als Lieferantin.

Eine Recherche in der Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets trug zur Identifizierung des Arztes Hugo Simonstein als Vorbesitzer des Buches bei. In der Datenbank führt die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) ein Buch an, in welchem sich ein Stempel Simonsteins sowie die typische Bleistiftsignatur befinden. Die hohe Nummerierung innerhalb der Signaturen lässt vermuten, dass die Bibliothek Hugo Simonsteins um ein Vielfaches größer war als die zwei bisher identifizierten Bücher. Die ZLB restituierte das Buch der Provenienz Hugo Simonstein/Gertrud Prager im Jahr 2019. Dank der Unterstützung durch die Provenienzforscher*innen der ZLB gab die SLUB Anfang Juli 2020 das in ihrem Bestand identifizierte Buch an die Nachfahrin Gertrud Pragers zurück.

Im Fall von erwiesenem NS-Raubgut betrachtet sich die SLUB nicht als Eigentümerin der in ihrem Bestand befindlichen Objekte und bemüht sich um eine Rückgabe an die Eigentümer*innen bzw. um andere gerechte und faire Lösungen im Sinne der „Washingtoner Erklärung“ von 1998. Bundesregierung, Länder und kommunale Spitzenverbände bekannten sich im Jahr darauf zu einer aktiven Provenienzforschung und Suche nach NS-Raubgut. Diese „Gemeinsame Erklärung“ feierte am 9. Dezember 2019 ihr 20jähriges Jubiläum.

Das die Widmung an Hugo Simonstein tragende Buch wurde im Rahmen des von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekts „NS-Raubgut in den Erwerbungen nach 1945“ identifiziert.

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