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Qualität und Finanzierung sichern – To-dos für den Erfolg von Open Access in den Geisteswissenschaften

Open Access in den Geisteswissenschaften, passt das zusammen? Auf jeden Fall, davon ist Prof. Dr. Stefan Horlacher von der TU Dresden überzeugt, aber es gibt Nachhol- und vor allem Klärungsbedarf auf einem (noch) recht wenig bespielten Feld.

Prof. Dr. Stefan Horlacher

  • Professor für Englische Literaturwissenschaft der TU Dresden
  • Prodekan der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften
  • Forschungsschwerpunkte: Englische Literatur, Literatur- und Medientheorie, Geschlechterforschung

1.      Sie sind Professor für Englische Literaturwissenschaft an der TU Dresden. In den Geisteswissenschaften ist das Thema Open Access bisher eher unterrepräsentiert. Was hat Sie dazu gebracht, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen?

Im Wesentlichen die Möglichkeit, mit meinen Publikationen ein größeres Publikum zu erreichen und meine Texte weltweit einfacher verfügbar zu machen.

2.     Hat Open Access Auswirkungen auf Ihre Arbeit? Merken Sie Veränderungen in der wissenschaftlichen Publikationslandschaft? 

Ich stelle fest, dass Open Access zunimmt und viele Bücher nach einigen Jahren in Open Access übergehen, gleiches gilt für Aufsätze. Bei Publikationen im Bereich der Anglistik und Amerikanistik sind m.E. noch die etablierten Verlage dominant, die aber selbst zunehmend Zeitschriften und Bücher im Open Access zugänglich machen. 

3.     Sie veröffentlichen viele Ihrer Publikationen auf dem Grünen Weg auf Qucosa. Wie sind Ihre Erfahrungen damit? Sehen Sie Vorteile der Green OA Zweitveröffentlichung?

Meine Erfahrungen mit der SLUB bzw. den zuständigen Mitarbeiter_innen sind sehr gut! Die Vorteile der Zweitveröffentlichung habe ich im Wesentlichen bereits genannt, nämlich die kostenfreie weltweite Zugänglichkeit bereits erschienener Publikationen; wobei man die Texte jedoch, selbst wenn Sie über Qucosa veröffentlicht sind, im Netz erst einmal finden muss; ich glaube Research Gate oder Academia.Edu, auch wenn man sie aufgrund ihres Geschäftsmodells nicht direkt mit Qucosa vergleichen kann, haben einen deutlich weiteren Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad. Hier kann man sicher noch einiges tun bzw. zeigt sich, dass auch Open Access ausdifferenziert ist.

4.     Wie stehen Sie zu Gold Open Access, also OA-Erstveröffentlichung? Haben Sie schon Erfahrungen damit gemacht und wenn ja, was sind Ihrer Meinung nach Vor- und Nachteile dieses Wegs?

Ich stehe Open Access positiv gegenüber, allerdings eher als alternative Ergänzung zur bisher üblichen Art zu publizieren und nicht notwendigerweise als Königsweg, da es durchaus noch Probleme zu lösen gibt. Bei traditioneller Veröffentlichung entscheidet ein editorial board plus eine double blind peer review über die Qualität und Konkurrenzfähigkeit der Forschung bzw. ob sie zur Veröffentlichung angenommen wird. Dieses Wissen ist dann öffentlich verfügbar, aber in der Regel kostenpflichtig. Mit Open Access wird der Prozess umgedreht: Das Wissen ist eben nicht per se öffentlich verfügbar, sondern nur dann, wenn neben der wissenschaftlichen Qualität vorab auch die Finanzierung gesichert ist. Und das macht es im Prinzip schwieriger, veröffentlicht zu werden, einfach weil der Grad der Kostenpflichtigkeit bereits vor der Veröffentlichung für den Autor/die Autorin bzw. seine Institution und nicht erst danach für den Nutzer eintritt. Ob alle Wissenschaftler_innen die Publikationsgebühren einfach aus ihren Forschungsmitteln oder anderen Quellen aufzubringen können – oder dürfen - kann bezweifelt werden. Gerade für Autorinnen und Autoren, die nicht Teil einer wissenschaftlichen Einrichtung sind, entstehen hier Probleme. 

5.     Was müsste man Ihrer Meinung nach tun, um OA in den Geisteswissenschaften voranzubringen?

Wahrscheinlich die von mir unter Punkt 4 aufgezeigte Problematik langfristig lösen, d.h. unabhängige editorial boards einrichten, die die Qualität der zu veröffentlichenden Publikationen sicherstellen und etablierte Standards wie double blind peer reviewed etc. weiterführen. Dass über die Qualitätskontrolle hinaus letztlich Geld darüber entscheidet, ob ein Text publiziert wird oder – wenn keine Gelder bereitgestellt werden – eben nicht, birgt durchaus Gefahren. Was nicht bedeutet, dass es bei deutschen Verlagen keine Druckkostenzuschüsse gibt; auch hier muss also manchmal für die Publikation gezahlt werden, was im anglo-amerikanischen Raum unüblich ist.  Trotzdem bringt die Veränderung der Kostenbelastung bzw., so hat es eine Kollegin/ein Kollege treffend formuliert, die „Umkehrung der Finanzlast von Nutzerinnen und Nutzern hin zu Autorinnen und Autoren“ bzw. deren Institutionen gerade bei forschungs- und publikations­starken Einrichtungen signifikante finanzielle Mehrbelastungen mit sich. Hier für einen überzeugenden Open Access zu sorgen, also Open Access nicht nur bei der Rezeption, sondern auch bei der Publikation von Forschung sicherzustellen, d.h. z.T. erhebliche finanzielle Mittel über einen längeren Zeitraum zu garantieren, für deren gerechte und unabhängige Verteilung zu sorgen und den bisherigen akademischen Standard zu halten, würde Open Access in den Geisteswissenschaften sicherlich voranbringen.



Das Gespräch führte Caprice Thomas, Bibliothekarin im Sachgebiet Qucosa und Ansprechpartnerin für Open Access Publikationen und Zweitveröffentlichungen.

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