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Was wir bewirken können – für Bürgerinnen und Bürger, die forschen

Mit 'Colouring Dresden' hat ein Dresdner Projekt den Citizen Science-Wettbewerb „Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt“ gewonnen. Die Preisverleihung im Museum für Naturkunde in Berlin fand am 20. Oktober statt – samt Auftaktworkshop für die drei nun geförderten Forschungsprojekte für Stadtrandgeschichten in Hamburg, Sprachforschung in Mannheim und Gebäudewissen in Dresden. Das Team von 'Bürger schaffen Wissen', Naturkundemuseum und 'Wissenschaft im Dialog' erforscht mit dem Wettbewerb zugleich, wie Citizen Science wirken kann und welche Potentiale lokale Netzwerke dafür haben.

Gebäudewissen kartieren, erforschen und vermitteln

Die Jury würdigte das Konzept „Baukultur und klimagerechte Architektur in Dresden – Gebäudewissen kartieren, erforschen und vermitteln“ als sehr facettenreich und eindrucksvoll. Als besonders positiv bewerteten die Jury-Mitglieder unter anderem die alltagsnahe Fragestellung und die Relevanz des Untersuchungsgegenstands, die Vielzahl der eingebundenen Akteur*innen und Unterstützer*innen des Projektes sowie die geplanten ko-kreativen Prozesse. Die Jury bescheinigt dem Projekt ein hohes Potenzial für einen gesellschaftlichen Impact und schätzt den hohen Grad an Open Science/Open Source wert, der einen möglichen Transfer für andere Städte eröffne.

So steht es in der Presseinfo des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR). Wir berichteten im Saxorum-Blog von der Projektidee. Seitdem fanden Workshops mit dem Bund deutscher Architektinnen und Architekten (BdA), dem Zentrum für Baukultur Sachsen (ZfBK) und anderen statt, Ideenrunden, deren Dokumentation und Arbeit am Projektkonzept. Bei der Publikumsabstimmung kam das IÖR-Projekt auf den dritten Platz, dessen Gewicht anteilig in die Juryentscheidung einging. Dabei waren die Motive der Wettbewerbsausrichterinnen klar: vor Ort Netzwerke aktivieren, um für das Wettbewerbsthema Aufmerksamkeit zu wecken – Neugier, Klicks, Stimmen und Auseinandersetzung mit dem Anliegen Citizen Science.

Was keine Selbstverständlichkeit war, so berichteten einige Finalist:innen. Denn auch in Onlineabstimmungen lauern Hürden. Nicht überall haben alle jederzeit einfach Zugang zum Internet. Cookies und andere technische Anforderungen eines Abstimmungsmoduls können von Stimmabgaben abhalten – Herausforderungen, mit denen Projekte und ihre Ziel- bzw. Interaktionsgruppen umgehen müssen. Insofern wurde schon an diesem Detail deutlich, welche Aufgaben lokale Citizen Science-Initiativen bewältigen: zusätzliche Kommunikation und Koordination, die Besonderheiten und Vielfalt kleinteiliger Stadträume sowie der Teilnehmer- und Projektpartner:innen berücksichtigen – oder auch einfach Unsicherheit: 'Ist das überhaupt richtige Forschung was wir hier machen?'

Das Projekt plant nun mit dem Preisgeld den Aufbau der Plattform 'Colouring Dresden' nach Londoner Vorbild und für die kommenden Monate im Detail: einerseits die technische Infrastruktur des Portals und beispielsweise eine geeignete Projektwebseite, die Menschen animiert mitzumachen. Und andererseits:

Dazu gehören Stadtspaziergänge und Mapathons zum gemeinsamen Kartieren von Gebäudemerkmalen wie auch Hackathons und regelmäßige Treffen zum Ausprobieren neuer Technologien, zum Sichten von digitalen Archiven und zur Vernetzung mit bestehenden Projekten. Weiteres Gebäudewissen kann in Vorträgen vermittelt werden. Wir planen auch Aktionen für Schüler*Innen. Falls Ihr Interesse an Stadtgeschichte, Architektur, Kartographie, offenen Daten oder lebenswerten Stadtquartieren habt und einen Beitrag für eine klimagerechte, nachhaltige und resiliente Gebäudevielfalt in Dresden leisten wollt kommt gerne auf uns zu.

Das Wettbewerbsteam rund um 'Bürger schaffen Wissen', die Plattform für Citizen-Science-Projekte aus Deutschland, begleitet die drei Projekte – auch mit dem Ziel Austausch zwischen den Geförderten und deren Umfeld zu ermöglichen. Eine zweite Runde des Wettbewerbs wird geplant.

Offene Bürgerwissenschaft – Haltung, Methoden, Werkzeuge

Dass Methoden und Werkzeuge offener Wissenschaft die Dresdner Projektskizze auch über die geplante Open Source-Software hinaus prägen, war offenbar ein Erfolgsfaktor für die Jury und Anliegen des Saxorum-Teams in der SLUB, das 'Colouring Dresden' im Ideenspint begleitet hat. 'Open Citizen Science' - so die Idee - hilft Wissen, Daten und Methoden auch zwischen professioneller Forschung und bürgerwissenschaftlichem Engagement zu teilen – also Austausch und Kooperationen zu vereinfachen! Im Idealfall lernen alle Beteiligten dabei mehr über Gebäudewissen und Klimagerechtigkeit im vorliegenden Fall. Das IÖR gewinnt zusätzliche Gebäudedaten für das neue Portal. Und dabei gewinnen wir gemeinsam Erfahrungen für die Organisation und Wirkungen forschungsorientierter Beteiligungsprojekte.

So steigt aber nicht nur der Kommunikationsaufwand. Auch die Dynamiken in solchen potentiell vielfältigen Netzwerken sind andere – verglichen mit rein hauptamtlichen Forschungs- oder Hobbyprojekten. Wird es komplizierter? Nicht unbedingt. Wir werden alle lernen – sei es, wenn Bürger:innen einfach Daten nur sammeln, solche Daten angeleitet oder auch selbständig analysieren und auswerten oder eigene Forschungsfragen in eigenen Projekten bearbeiten wollen und dabei auf neue Fragen stoßen. Die Herausforderungen für das IÖR und Projektpartner ist nun auch, mit der Vielfalt unterschiedlicher Motive und Wissensstände interessierter und forschender Bürger:innen umzugehen, zugleich institutionelle Projektziele im Blick zu behalten und idealerweise dies alles möglichst offen zu dokumentieren und dialogorientiert zu kommunizieren. Und das alles mit begrenzten Ressourcen! So sehr unterscheiden sich 'Science' und 'Citizen Science' letztlich nicht. Aber, die Projektförderung ermöglicht es nun, Kolleg:innen im Projekt zu beschäftigen.

Die beabsichtigte Offenheit führt schließlich dazu, dass auch andere Projekte und Datenbestände profitieren können. Mit dem Wikidata-Datenobjekt (Q113628309) werden wir gezielt offene Metadaten des Projekts verknüpfen – in Bibliothekskatalogen weisen wir die Projektpublikationen ohnehin nach. Wir werden von der Arbeit berichten. 

Citizen Science mit der SLUB

Offene Bürgerwissenschaft in der SLUB ist ein wachsendes Thema: Arbeits- und Geschäftsfeld, Fach- und Forschungsgebiet sowie Forschungsinteresse. Anfang Oktober fand in der Zentralbibliothek die Tagung 'Erinnerungskultur digital' statt, bei der viele bürgerwissenschaftliche Projekte und ihre Methoden vorgestellt wurden. Zeitgleich präsentierten wir bei der Tagung GeNeMe „Gemeinschaften in Neuen Medien“ Erfahrungen von regelmäßiger Kulturdatenpflege beim wöchentlichen sogenannten 'DatenlaubeJam' und von der Zusammenarbeit mit dem Dresdner Geschichtsverein. Die offenen Werkzeuge des Wikiversums (Wikidata, Wikisource, Wikipedia) sind dabei hilfreich und inzwischen traditionsreich in Dresden – siehe dazu den Wikisource-Infostand und die Kategorie 'Wikipedia' im SLUBlog.

Aber sie sind nicht alleinige Mittel der Wahl, um im Sinne der Open Science zu arbeiten. Projekte wie das Dresdner Totengedenkbuch 1914-1918 und die digitalisierten Adressbücher sächsischer Orte bieten Daten für die eigene Forschung. Beratungs- und Informationsangebote der SLUB oder von 'Bürger schaffen Wissen' helfen, um für eigene Projektziele geeignete Anregungen zu bekommen.

Im neuen Grundsatzpapier 'Open Science als Teil der Wissenschaftskultur' formulierte die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erst vor Kurzem die Position der Spitzenforschung auch im Hinblick auf Citizen Science. Mit dem Ansatz 'Open Citizen Science' versuchen wir die Verbindungen zwischen Bibliotheken, hauptamtlichen Forscher:innen und Bürger:innen, die forschen, handlungsleitend zu charakterisieren und stellen dabei immer wieder fest, dass die Rollen, in denen die daran Beteiligten aktiv sind - sowie Wissensstand und etwaiger Expertenstatus - längst sehr vielfältig sind. Mal helfen Profis den Laien – ein andermal erklären Bürger:innen, die selbst forschen und entwickeln, den Profis 'die Welt', zum Beispiel in offenen datenorientierten Crowdsourcingprojekten.

Als Wissenschaftliche Bibliothek - Universitäts- und Landesbibliothek - kann die SLUB an ganz unterschiedlichen Stellen in Forschungsprozessen mit Citizen Science-Expertise helfen – möglicherweise weniger im fachwissenschaftlichen Sinne. Aber mit Erfahrungen aus Beteiligungsprozessen, aus eigenen Projekten, aus der Mitarbeit in den AGs und aus der Strategieentwicklung für die Bürgerwissenschaft mit 'Bürger schaffen Wissen', mit Kontakten und mit Impulsen vom Berliner Citizen Science-Tag 2019 oder vom 1. Sächsischen Citizen Science-Tag 2020 sowie mit Wissenschaftskommunikation und digitaler Heimatforschung im Wikiversum.

Ein Citizen Science-Wettbewerb für die Städte, Gemeinden, Forschungseinrichtungen, Vereine, Initiativen und Bibliotheken in Sachsen – das wäre nun unser Wunsch und Vorschlag nach dem Erfolg in Berlin. Die Projektförderung für 'Colouring Dresden' am IÖR ist ein starkes Signal, nicht zuletzt für uns: Open Citizen Science ist budgetrelevant – gefördert vom BMBF – und Offene Wissenschaft zahlt sich aus. Glückwunsch an die Kolleg:innen am IÖR!

Ortseingangsschild: Citizen Science City

Literatur
* Julia Lorke, Vincent Schmid-Loertzer: Wie wirkt eigentlich Citizen Science? Ein Blick in die Forschungsliteratur, 5. Oktober 2022, DOI 10.5281/zenodo.6797923
* Jens Bemme: Citizen Science City : Ein Plädoyer für offene Kulturdaten als Antrieb digitaler Bildung, 2022, DOI 10.5281/zenodo.6757529
* Jens Bemme, Martin Munke: Open Citizen Science: Leitbild für kuratorische Praktiken in Wissenschaftlichen Bibliotheken, 2020, DOI 10.1515/9783110673722-013

Teaserbild: Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. (idw)
Ortsschild: https://onlinestreet.de/.../Citizen+Science+City.html (CC BY 4.0)
Wikidata-Item dieses Textes: (Q114853144)

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