"Roma trapiantata" - Konzert - Gespräch - Quellenpräsentation, Freitag, 25. August 2017, 19.30 Uhr, SLUB-Vortragssaal, Eintritt frei
„Jetzt herrscht in der Kirchen gar eine spanneue Sing-Art, aber ausschweifig, gebrochen, täntzerlich und gar am wenigsten andächtig; mehr reimet sie sich zum Theater und Tantzplatz als zur Kirche.”
In diesem Sinne bedauerte der Oberhofprediger Martin Geier 1672 in seiner Leichenpredigt auf den Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz den Stilwandel in der Dresdner Hofmusik nach 1656. Denn: war die Musik unter der mehrere Jahrzehnte dauernden Leitung Heinrich Schützens geprägt von einem kontrapunktisch-polyphonen Klangideal, wie Schütz es in den groß dimensionierten Doppelchören auf seinen Reisen in Italien kennengelernt hatte, so drang unter Johann Georg II, Kurfürst seit 1656, ein neuer Ton nach Dresden.
Der affektgeladene italienische Barock mit seinen expressiven melodischen Wendungen, den tänzerischen Rhythmen und Metren, der Betonung des Solistischen, brachte nicht nur die Oper über die Alpen, sondern eroberte ebenso Kammer und Kirche an den transalpinen Höfen. Auf ihren Kavaliersreisen entdeckten junge Adlige aus ganz Europa diese moderne Musik und bestellten italienische Kompositionen in großem Umfang, aber auch italienische Musiker an ihre Heimathöfe. Rom wirkte besonders attraktiv und die Nachfrage nach Werken römischer Komponisten wie Giacomo Carissimi stieg an den europäischen Residenzen rasch.
Auch der sächsische Kurprinz Johann Georg II, von dem allerdings keine Reise nach Italien überliefert ist, zeigte ein ausgeprägtes Gespür für die Musik und besonders fähige Musiker seiner Zeit. Schon für seine kurprinzliche Kapelle – parallel zur Hofkapelle unter Heinrich Schütz – engagierte er italienische Musiker und verpflanzte den römischen Barockstil nach Dresden.
Vor allem unter den Kapellmeistern Vincenzo Albrici und Marco Giuseppe Peranda gedieh das theatralisch-italienische Idiom prächtig. Die Dresdner Hofmusik befand sich auf der Höhe der Zeit, beschäftigte einige der fruchtbarsten und besten Musiker Europas und zeigte damit – wenige Jahre nach dem Ende des 30-jährigen Krieges – die starke kulturelle Potenz des sächsischen Hofes. Über die Dresdner Festkultur, aber auch durch Reisen verbreitete sich der Ruf der Dresdner Hofmusik rasch: Albrici beispielsweise hielt sich – als sächsicher Hofkapellmeister – mehrmals für längere Zeit in England und Nordeuropa auf und trug den sächsisch geprägten italienischen Stil gleichermaßen weiter, wie er andere Einflüsse in ihn aufnahm.
Die meisten Noten dieser italienisch geprägten “Hochzeit” der Dresdner Hofmusik sind im Siebenjährigen Krieg verloren gegangen und die Werke nur in Abschriften, zum Glück aufgrund der großen Beliebtheit des Repertoires weit verbreitet, erhalten.
Aus den Dresdner höfischen Musikalienbeständen in der SLUB überliefert ist aber ein kleiner Band mit Werken vor allem von Vincenzo Albrici. Die enthaltenen Stücke – für einen kleinen Kreis gedachte Kammermusik – führen eindrücklich vor Ohren, wie römisch fundierte Musik in Dresden gedieh: expressiv und ausdrucksstark werden Schönheit, Liebe und Glück besungen.
Einige der Stücke liegen nun in einer wissenschaftlichen Ausgabe vor – willkommener Anlass, sie, gepaart mit weiteren Beispielen der italienisch geprägten Barockmusik, im Vortragssaal der SLUB zum Klingen zu bringen.
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