Wie sahen in den 1910er Jahren Entwürfe für Sitzmöbel, Schränke oder Waschtische aus? Wie waren in den 1920ern die Vorstellungen von Mode? Aufschluss darüber gibt der durch den FID Kunst, Fotografie, Design im letzten Jahr digitalisierte und erschlossene zeichnerische Nachlass von Gertrud Kleinhempel (1875–1948). Kleinhempel zählt zu den frühen Entwerferinnen, die bereits um die Jahrhundertwende unter anderem für die Deutschen Werkstätten Hellerau tätig waren, und zwar nicht nur im traditionell weiblich besetzten Bereich der Textilgestaltung, sondern auch im Möbeldesign. Damit zählt sie zu den Protagonist(inn)en der Kunstgewerbebewegung, die sich für künstlerische Gestaltung und Materialgerechtigkeit des industriell gefertigten Produktes einsetzte.
Unter den rund 2.300 Skizzen und Zeichnungen finden sich nicht nur zahlreiche Entwürfe für Möbel, sondern auch Zeichenstudien, Modeentwürfe und gebrauchsgrafische Arbeiten. Sie spiegeln somit die ganze Bandbreite von Gertrud Kleinhempels Schaffen. Schon zu Beginn ihrer Tätigkeit wurde die Gestalterin in der zeitgenössischen Presse äußerst positiv wahrgenommen. Als deutschlandweit erfolgreiche und gefragte Designerin erreichte ihre Karriere 1921 ihren Höhepunkt mit der Ernennung zur Professorin an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bielefeld, wo sie seit 1907 lehrte.
Aus dem Schatten heraus: Entwerferinnen
Die nun öffentlich zugänglichen Skizzen aus Privatbesitz erlauben einen breiten Einblick in den kunstgewerblichen Entwurfsprozess und sind damit wertvolles Quellenmaterial zur Designgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts. Dass diese schon in den Anfangsjahren mit zahlreichen, heute zumeist – und zu Unrecht – im Schatten ihrer männlichen Kollegen stehenden Entwerferinnen verbunden ist, wird nicht zuletzt an Gertrud Kleinhempel deutlich. Die Deutschen Werkstätten Hellerau spielten dabei eine wichtige Rolle, fanden hier doch zahlreiche Frauen Anstellung im kunstgewerblichen Bereich, auch jenseits des Textils. Diese frühen Designerinnen waren damit wesentlich an der Herausbildung einer neuen Ästhetik im Industriedesign beteiligt.
In den Zeichnungen können Sie ab sofort digital auf arthistoricum.net und in der Deutschen Fotothek stöbern. Und wer mehr zu den Entwerferinnen und den Deutschen Werkstätten erfahren und das ein oder andere Möbelstück im Original sehen möchte, dem sei die Ausstellung des Kunstgewerbemuseums (SKD) »Gegen die Unsichtbarkeit. Designerinnen der Deutschen Werkstätten Hellerau 1898 bis 1938« ab 3. November 2018 im Japanischen Palais in Dresden empfohlen.
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