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Gleiche Bildungschancen – ein modernes Märchen?
Das Deutsche Bildungssystem ist unfair. Daran gibt es momentan nichts zu rütteln, aber aufzuzeigen – und das tut Aladin El-Mafaalani. Für ihn liegt hier auch bereits des Pudels Kern: die Ungerechtigkeit im Bildungswesen selbst reproduziert eine soziale Ungleichheit und muss in den Fokus der aktuellen Bildungspolitik rücken, fordert der Professor für Erziehungswissenschaft an der Uni Osnabrück. Denn nach wie vor haben Kinder aus armen und sozial schwachen Familie deutlich schlechtere Chancen in unserem Bildungssystem als Kinder aus einem privilegierteren Elternhaus.
„Bildungsbenachteiligung ist Lebensbenachteiligung und Lebensbenachteiligung ist Bildungsbenachteiligung“
Das ist prinzipiell keine bahnbrechend neue These, jedoch beleuchtet er die Paradoxien, die daraus resultieren, aus vielen Perspektiven: Das Bildungssystem vollzieht seit 60 Jahren einen steten Wandel, es ist durchlässiger geworden. Immer mehr Jugendliche machen Abitur, studieren. Prima, könnte man denken, dann haben ja auch immer mehr Menschen die Chancen auf gesellschaftliche Anerkennung, die nach wie vor stark mit den beruflichen Perspektiven verknüpft ist. Das Gegenteil sei jedoch der Fall, so El-Mafaalani. Mit der Bildungsexpansion haben mittlere und einfache Bildungsabschlüsse an Wert verloren und sichern so keinen festen Platz in der Gesellschaft. Und die soziale Lücke schließe sich auf diesem Wege auch nicht. Er erläutert dieses Phänomen mit dem Bild eines Fahrstuhls: Fahren alle eine Etage höher, bleibt der Unterscheid zwischen ihnen gleich – nur, dass Sie eine Stufe höher stehen als vorher.
Die Bildung wird es (nicht) richten
Wir haben es hier mit gesellschaftlichen Problemen zu tun, nicht primär mit bildungspolitischen. Denn "in einer ungerechten Welt kann das Bildungssystem nicht gerecht sein". Aladin El-Mafaalani ist überzeugt, dass Bildung an sich keine großen gesellschaftlichen Probleme lösen wird, aber gerne als Universalantwort verheizt wird. Aber was können wir tun? Wir müssen unseren Blick schärfen für die vielen offenen Fragen der Gesellschaft, die Erfahrungshorizonte und Zukunftsperspektiven von Kindern erweitern und gleichzeitig die Chancenungleichheit verringern, so El-Mafaalani. Und wir dürfen die nächste Generation mit den unbekannten Herausforderungen einer immer komplexer werdenden Gesellschaft nicht im Stich lassen.
Vortrag und Diskussion von und mit Aladin El-Mafaalani zu seinem Buch "Mythos Bildung" am 28.9. um 19 Uhr im Klemperer-Saal der SLUB. Wir bitten um vorherige Anmeldung.
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