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Beziehungen

Wer "A" sagt, muss "Z" schreiben - und wer liest, muss malen. Oder Komponieren. Oder weiter schreiben. Oder alles anders herum. Seit jeher lebt die Kunst auch vom Austausch der Künstler und Zusammentreffen verschiedener Künste beflügeln sie weiter - unsere Quellen spiegeln das lebendig und laden ein zu einem näheren Blick und persönlicher Begegnung mit der Kunst. In einer Veranstaltung am 14. Oktober stellen wir ein solches inter"textuelles" Geflecht aus Literatur, Bildender Kunst und Musik mit Werken von Michael Wüstefeld, Hermann Naumann, Nicolle Cassel, Annette Thiem, Steffen Gaitzsch, Christian Langer, Rainer Lischka und Frank Petzold in den Mittelpunkt.

Ein Dichter schreibt ein Gedicht. Der erste Vers verhakt sich. In den Gedanken eines anderen Dichters. Er animiert ihn, beflügelt ihn, plötzlich öffnet er ihm die Augen und erklärt ihm die Welt. Und so fliegen ihm die in des ersten Dichters Gedicht nicht ausgesprochenen Verse ganz selbstverständlich zu, wie, um den Kosmos, den diese eine Zeile Lyrik ihm eröffnet, weiter zu füllen, zu ergänzen, zu vervollständigen.

„Wer ‚A‘ sagt, muß ‚Z‘ schreiben. So einfach ist das. Und so begann sich das „AnAlphabet“ dem „Alphabet“ von Inger Christensen entgegenzuschreiben“ (Michael Wüstefeld)

Der Intuition hinzu gesellt sich nun Reflexion und der Dichter übernimmt Idee und Form des Anreger-Gedichtes für einen eigenen Text, den er jetzt als Antwort, als seinen Teil einer dialogischen Begegnung begreift. Und vielleicht kommen noch weitere Ideen ins Spiel, ein intertextuelles Netz entsteht.

So mag es Michael Wüstefeld ergangen sein, als er Inger Christensen Gedicht "das Alphabet" las. Der Dritte im Bunde hier: Leonardo Fibonacci, der mit seiner Reihe seit fast 1000 Jahren nicht nur Phänomene der Natur beschreibt und die mathematischen Wissenschaften beschäftigt, sondern intensiv auch die Künste und neben Gartenanlagen, Gemälden, Musikstücken und Choreographien eben auch Literatur formal organisieren hilft.

"Das AnAlphabet" von Michael Wüstefeld erscheint, als Komplementär zu Inger Christensens „Alphabet“ und Wüstefeld liest daraus, musikalisch begleitet von einem Musiker, mit dem ihn eine lange Freundschaft verbindet. Davon nun angeregt schreibt ein Komponist eine kleines Stück für eben jenen Geiger – und setzt die Reihe der aufeinander bezogenen und, zumindest zum Teil, miteinander interagierenden Werke in einem anderen Medium fort.

Inger Christensens Alphabet, Michael Wüstefeld „Analphabet“, Rainer Lischkas „ABC“ und Steffen Gaitzschs Improvisationen treten in ein Gespräch miteinander – nicht immer antwortet der Adressierte auch zurück, aber es entsteht doch ein dichtes Geflecht aus Bezugnahmen, in dem sich die Künstler bewegen. Heraus kommt dabei beileibe keine abgeschiedene, elitäre Welt, kein Paralleluniversum, das Nicht-Eingeweihte abwiese – nein, alle Beteiligten sprechen zugleich Leserin und Hörer und Publikum an und laden ein, teilzuhaben an ihren Interpretationen der in den Werken erscheinenden Perspektiven der anderen und wieder eigenes hinzuzufügen – was mag wohl so als nächstes entstehen?

Wie vielfältig sich die – persönlichen, künstlerischen, ideellen – Beziehungen verschiedener Künstler in ihren Werken, die Teil unserer Sammlungen sind, niederschlagen können, zeigen wir in einer Veranstaltung am kommenden Donnerstag, den 14. Oktober 2021:

Michael Wüstefeld liest aus Gedichten, von seinen Gedichten inspirierte Steinzeichnungen von Hermann Naumann werden präsentiert, die Musiker Nicolle Cassel, Annette Thiem, Steffen Gaitzsch, und Christian Langer spielen Kompositionen von Rainer Lischka und Frank Petzold, die wiederum für sie auf Texte von Michael Wüstefeld geschrieben wurden.

Und wir? Wir zeigen die dazugehörigen Quellen!

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