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Von Autogramm bis Zugangsnummer. Provenienzmerkmale in der Deutschen Fotothek

Provenienzmerkmale sind kulturgeschichtliche Wissenstanker: Neben Hinweisen auf Buchbesitzer und Nutzungszeiten ermöglichen sie Rückschlüsse auf Bekanntschaften und Netzwerke, historische Ereignisse oder auch auf Lesermeinungen.

 

 

5008. Das ist die Anzahl der Provenienzmerkmale, die bisher in der Kollektion „Provenienzforschung“ der Deutschen Fotothek veröffentlicht wurden. Darunter findet sich von Autogramm bis Zugangsnummer alles, was Aufschluss über Besitzer, Nutzungen und Entstehungszeiten von Büchern gibt. Neben künstlerisch aufwändig gestalteten Exlibris bekannter Personen finden sich immer wieder Stempel längst vergessener Institutionen, Organisationen und Vereine. Kleine Zeichnungen, Notizen und Kommentare haben auch eine persönlichere Note und lassen den Menschen dahinter lebendig werden.

Weil diese Merkmale Hinweise auf frühere Besitzer geben, sind sie buch- und bibliotheksgeschichtlich von großem Interesse (Provenienzforschung). Sie können auch Indizien für unrechtmäßige Enteignungen im Zuge nationalsozialistischer oder stalinistischer Verfolgung (Raubgut) sein. Die Veröffentlichung der Bilder und ihre gleichzeitige Erfassung in der Gemeinsamen Normdatei (GND) dokumentieren Recherche- und Forschungsstände. Damit sind Informationen für alle Interessierten nachnutzbar. Zugleich steht die Kollektion auch anderen Institutionen offen: Die Veröffentlichung von Merkmalen aus den Beständen der Bautzener Stadtbibliothek ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit der SLUB. Knapp 200 Bautzener Merkmale sind bisher in der Deutschen Fotothek erfasst worden.

Provenienzmerkmale sind aber kulturgeschichtliche Wissenstanker: Neben Hinweisen auf Buchbesitzer und Nutzungszeiten ermöglichen sie Rückschlüsse auf Bekanntschaften und Netzwerke, historische Ereignisse oder auch auf Lesermeinungen:  Die Notiz in der llias von Homer legt die persönliche Einschätzung ihres Lesers W. Albert offen: „Gott sei Dank, daß der Große Schleim alle ist!“

Eine Widmung des "Arbeiterdichters" Max Barthel (1893-1975) an Traudel Kaschner offenbart eine freundschaftliche Beziehung: „Traudel Kaschner diesen schönen Roman weitergegeben am 17. April, als es in Dresden Bomben gab. Max Barthel 17.4.45, Dresden.“ Barthel thematisiert hier auch den letzten Bombenangriff auf Dresden am 17. April 1945. Die Widmung wird dadurch zu einem kurzen Zeitzeugenbericht, der über Max Barthel und Traudel Kaschner als zwei Überlebende des Bombardements und zugleich über den Weg und die Geschichte des Buches berichtet.

Seit Anfang dieses Jahres wächst die Zahl der in der Kollektion „Provenienzmerkmale“ dokumentierten Bilder stetig. Denn in dem aktuellen Projekt „NS-Raubgut in der SLUB (Erwerbungen nach 1945)“ werden nicht nur bislang ungeklärte Provenienzen identifiziert und Restitutionen durchgeführt – ein Mitarbeiter ist ausschließlich für die Dokumentation der Forschungsergebnisse durch GND-Sätze und Einarbeitung neuer Provenienzmerkmale in die Kollektion zuständig. Bis zum Ende des Projekts, das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und mit Eigenmitteln der SLUB gefördert wird, wird daher die Zahl der Provenienzmerkmale noch deutlich anwachsen und zukünftig hoffentlich noch viele Restitutionen ermöglichen, aber auch spannende und aufschlussreiche Einblicke in die Kulturgeschichte gewähren.

Der Text wurde verfasst von den MitarbeiterInnen des Projektes "NS-Raubgut in der SLUB - Erwerbungen nach 1945": Elisabeth Geldmacher, Nadine Kulbe und Robin Reschke.

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