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Macht Appetit! In der SLUB entsteht ein FoodStudio

Das „FoodStudio“ wird zentrales Interaktions- und Kommunikationszentrum rund um die Kulinarik-Bestände der SLUB. Hier kann man die Einarbeitung, also Inventarisierung und Formalerschließung, der Bestände unmittelbar erleben und bei der Entstehung der Kulinarischen Bibliothek live dabei sein. Aber auch Kulinarische Lesungen, Lehrveranstaltungen und Events außerhalb der Bibliothek, bei denen aus alten Kochbüchern nachgekocht wird, sind geplant. Doch zuvor muss erstmal ausgepackt und eingeräumt werden – was ohne die Hilfe der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen undenkbar wäre.

Bücher und Zeitschriften liegen gestapelt auf einem Tisch.

Am 1. Juni 2021 liest Jürgen Grundke, 73, in seinem E-Mail Postfach: „Betreff: Unterstützung gesucht“. Ein Raum soll zum FoodStudio werden. „Wir gestalten den Raum so, dass man sich in einem Kochstudio wähnt und ringsherum die kulinarischen Schätze in Form von Büchern und Zeitschriften stehen. Diese Bestände sollen in den nächsten Wochen in die Regale gestellt werden und dafür benötigen wir viele fleißige Helfer.“

Seit 11 Jahren ist Grundke Ehrenamtler an der SLUB. Dort arbeitet er einen Tag pro Woche, seit Beginn der Coronapandemie weniger. Da kommt ihm Abwechslung gerade recht. Bisher war er meist mit der digitalen Erfassung von Büchern beschäftigt. Jetzt liest er die Mail und freut sich auf ein interessantes Projekt. „Obwohl ich nicht selbst koche. Das macht bei uns die Hausfrau. Oder wir gehen essen. Bevor ich an die SLUB kam, habe ich im Umweltschutz und Bergbau gearbeitet. Dann kam eine Phase, in der in mehrere Jahre Urlaub gemacht habe. Rentner haben ja manchmal seltsame Hobbies, und da habe ich mit der Familienforschung angefangen. Deshalb war ich oft in der SLUB und habe Bücher gelesen. Da sah ich die Anzeige, dass Ehrenamtler:innen gesucht werden. Da dachte ich, wenn ich die SLUB so oft nutze, kann ich auch mal was zurückgeben.“

Auch Ilka Wilkening, 68, ist dabei, wenn sich Tag für Tag die Regale füllen. „Bis letzte Woche habe ich Bücher in die Regale gestellt, jetzt sind die Zeitschriften dran. Da mache ich erst ganz viele Häufchen, sortiere alles vor, das sind bestimmt 15 Meter nur Häufchen. Mir macht das Spaß, sonst wäre ich nicht hier. Ich bin von Haus aus Bibliothekarin, zuletzt im Krankenhaus Neustadt. In der SLUB war ich schon immer gerne. Seit zwei Jahren bin ich jetzt hier im Ehrenamt.

Die „Tischreden von Martin Luther“ erfreuen mich auch nach Feierabend noch. Mich begeistert die Vielfalt der Sammlung. Ich esse hauptsächlich vegetarisch und probiere gerne Neues aus. Ich lebe zwar allein, habe aber drei Kinder und neun Enkel. Für sie möchte ich nun Rezepte sammeln, das Büchlein nenne ich vielleicht „Oma kocht“. Das kann man dann innerhalb der Familie weitergeben. Dazu hat mich die Arbeit hier animiert.“

Selten oder sehr selten?

Mit jedem Buch, dass sie aus den Kisten nehmen, fragen sich die Ehrenamtler:innen: ist das selten oder sehr selten? Oder gehört es doch nicht in die Kulinarische Sammlung?

„Alles, was in Zusammenhang mit Essen und Trinken steht, wird ein Teil der Sammlung und des entstehenden FoodStudios“ sagt Thomas Stern, Referatsleiter Handschriften, Seltene Drucke und Kartensammlung und zugleich Wächter über die Kulinarische Sammlung an der SLUB. Am Ende wird dann natürlich noch geprüft, welche Ausgaben sich bereits im Bestand der SLUB befinden.

„Das, was wir hier vorhaben, setzt unser Motto Wissen kommt von Machen, welches im Makerspace der SLUB seit Jahren erfolgreich praktiziert und in anderen Bereichen der Bibliothek ebenso erfolgreich adaptiert wird, fort."

"Das FoodStudio soll zum Mitmachen anregen und auffordern" erklärt Thomas Stern, während er eine der Kisten vorsichtig öffnet. „Menükarten, Bücher, Weinetiketten? Ich weiß nicht, was mich erwartet.“ In Kiste 68 sind es Menükarten. „Die haben den Charakter von Unikaten und werden nach Einarbeitung im Lesesaal Sammlungen der Bibliothek zugänglich sein. Zu deren Erschließung und Digitalisierung streben wir ein Drittmittelprojekt an.“

So unterschiedlich wie die Medien, die die Sammlungen enthalten, so vielfältig sind auch die wissenschaftlichen Möglichkeiten mit dem Thema umzugehen. „Wir erwarten ein breites wissenschaftliches Interesse“ ergänzt Stern.

Muskelkater und Vorfreude

„Mich hat überrascht, wie viel zu dem Thema überhaupt schon geschrieben wurden ist“ sagt Barbara Fahrig, 69, die trotz Muskelkater weiter die Regale bestückt. Immer wieder: raus aus den großen Kisten, rein in die Regale. Zeit zum Schmökern bleibt nicht viel. „Wenn das dann wirklich eröffnet ist, dann bin ich bestimmt ganz viel hier und gucke mir das an. Ich habe mir schon ganz viel notiert.

Vor einigen Jahren habe ich per Zufall hier mit dem Ehrenamt begonnen. Zuerst habe ich an einem alten Besucherbuch gearbeitet. Das ist von 1700 irgendwas. Da ist sogar eine Eintragung von Herrn Bonaparte dabei. Die alten Eintragungen wurden auf Karteikarten übertragen, von einem Archivar, in alter Schrift, die kaum noch einer lesen kann. Diese Karten habe ich in eine excel-Datei übertragen. Warum ich an die SLUB gekommen bin? Als Rentnerin wurde mir langweilig.

Zuvor hatte ich 16 Jahre an der Hochschule für Verkehrswesen gearbeitet, im Rechenzentrum. Ich war auch selbstständige Tätowiererin mit meinem eigenen Studio am Wasaplatz. Von der einseitigen Belastung aber habe ich meine Hand überanstrengt und musste aufhören. Da konnte ich die Nadel nicht mehr halten. Aber eigentlich habe ich Porzellanmalerin gelernt.

Deswegen bin ich auch so begeistert von einem Buch, das ich neulich beim Auspacken in der Hand hielt: darin geht es um die festlich geschmückten Tafeln im alten Dresdner Schloß. Wissen Sie, wenn ich hier einräume, dann bekomme ich richtig Appetit.“

In den letzten Jahren hat sich eine besondere Leidenschaft an der SLUB entwickelt: die Kulinarische Sammlung. Mit der Bibliotheca Gastronomica – Sammlung Walter Putz wurde 2005 der erste gastrosophische Bestand übernommen. 2018 wurde, mit finanzieller Unterstützung der TU Dresden, der Nachlass von Wolfram Siebeck erworben. Ende 2020 konnte der umfangreiche und kulturgeschichtlich bedeutende Bestand an Kulinaria des 2015 verstorbenen Sammlers und Kochs Ernst Birsner, mit Fördermitteln der Kulturstiftung der Länder und der Rudolf-August-Oettker-Stiftung, erworben werden. Die Sammlung Birsner ist eine der umfangreichsten Privatsammlungen zur Geschichte der Kochkunst und Esskultur im deutschsprachigen Raum, die durch ihre Dichte und Vielgestaltigkeit unterschiedlichsten Forschungsfeldern reiches Quellenmaterial bietet. Die Sammlung umfasst schätzungsweise ca. 15.000 Bücher und ca. 20.000 Menükarten, welche nun formal erschlossen, inventarisiert und adäquat präsentiert werden müssen.

Veranstaltungstipp zum Thema "Food"

Garnelen, Sandwich, Farfalle - beim Häkel-Workshop der SLUB im Rahmen von "Dresden isst bunt - 5. Gastmahl für alle" lernen Ungeübte und Profis, wie man aus Wolle Essbares zaubert

13. September 2021, 16 bis 20 Uhr, Neustädter Markt, Hauptstraße, Eintritt frei

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