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Restitution von NS-Raubgut: SLUB Dresden erwirbt Autographen aus dem Eigentum von Beno Kaufmann

Dank intensiver Recherchen des Provenienzteams der Klassik Stiftung Weimar konnten auch im Bestand der SLUB Dresden 23 Autographen identifiziert werden, die aus dem Besitz von Beno Kaufmann stammen. Beno Kaufmann wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Die SLUB Dresden konnte die Autographen nun ankaufen.

Beno Berl Kaufmann wurde am 10. März 1862 in Krakau (damals Österreich, heute Polen) geboren. Seine Eltern waren Michael Kaufmann und Rosalia, geborene Blumenfeld. Beno Kaufmann stammte aus einer jüdischgläubigen Familie. Am 25. Februar 1903 heiratete er in Berlin die am 21. Juli 1875 in Goettweig (Österreich) geborene Anna Scharl. Die Ehe blieb kinderlos. In Berlin war Kaufmann als Redakteur für die Zeitung „Das kleine Journal“ tätig. Wohl seit 1923 lebte er mit seiner Frau in Dresden, zunächst in der Seidnitzer Straße 17, später in der Oehmestraße 6.

Anna Kaufmann, die wohl nicht jüdischen Glaubens war, starb zwischen 1939 und 1942. Der genaue Todeszeitpunkt ließ sich nicht ermitteln. Beno Kaufmanns letzter selbstgewählter Wohnort lag in der Oehmestraße 6 in Dresden. Im Alter von 80 Jahren wurde er am 19. Juni 1942 mit der Diagnose „Senile Demenz“ in die Israelitische Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Seyn eingewiesen, die einzige Einrichtung, die zu diesem  Zeitpunkt noch jüdisch Verfolgter mit psychischen Erkrankungen aufnehmen durfte. Von hier aus wurde er am 27. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 12. August 1942 ermordet wurde.

Beno Kaufmann besaß eine Autographen-, eine Münz- und eine Grafiksammlung. Der Verbleib der Münzen und Grafiken ist ungeklärt, seine Autographensammlung aber wurde mutmaßlich 1942 durch die Berliner Antiquariate Ernst Henrici sowie Hellmut Meyer & Ernst veräußert. Bei letzterem kaufte die damalige Sächsische Landesbibliothek (SLB) laut Zugangsbuch im April 1942 und im Januar 1943 insgesamt 24 Autographen sächsischer Persönlichkeiten.

Von den 24 von der SLB gekauften Autographen sind heute noch 23 im Bestand der SLUB Dresden identifizierbar. Besonders erschütternd ist, dass Beno Kaufmann einen Teil seiner Sammlung 1928 selbst im Antiquariat Ernst Henrici erworben hatte. Henrici konnte 1942 eben diese Autographen zum erneuten Verkauf anbieten und sich somit doppelt bereichern.

Als Eigentum von Beno Kaufmann identifiziert werden konnten die Objekte, weil sie sich zum Teil noch immer in den Mappen befinden, die Beno Kaufmann anfertigen ließ und die er mit umfangreichen biografischen Informationen zu den Schreiber:innen versah. Sie tragen den Aufdruck „Aus meiner Autographenmappe Beno Kaufmann“.

Nach den Recherchen der Klassik Stiftung Weimar konnten insgesamt 66 Autographen aus dem Eigentum von Beno Kaufmann nicht nur in der SLUB Dresden, sondern auch im Thüringer Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Weimar sowie im Freien Deutschen Hochstift (Frankfurt am Main) identifiziert werden. Unter Federführung der Klassik Stiftung Weimar haben diese Institutionen nun mit den Nachfahr:innen von Beno Kaufmann einen Ankauf für die jeweilige Sammlung vereinbart. Somit bleiben die Stücke auch zukünftig Interessierten zu Forschungszwecken erhalten. Ein Brief und eine Einlegemappe aus dem Bestand der Klassik Stiftung Weimar wurden der Familie auf Wunsch zugesandt.

Die SLUB wird die in ihrem Bestand verwahrten Objekte mit einer Einlage kennzeichnen und damit auf das Schicksal ihres ehemaligen Eigentümers Beno Kaufmann hinweisen. Außerdem wird ein Dossier veröffentlicht, das alle Informationen über den Fall zusammenfasst. Zudem wurden die 23 Autographen von der SLUB Dresden digitalisiert.

Aufgrund der erwiesenen Verfolgung Beno Kaufmanns durch die Nationalsozialisten und den verfolgungsbedingten Verkauf seiner Autographensammlung sind die 23 Autographen als NS-Raubgut zu bewerten. Im Fall von erwiesenem NS-Raubgut betrachtet sich die SLUB nicht als Eigentümerin der in ihrem Bestand befindlichen Objekte. Sie bemüht sich um eine Rückgabe an die Eigentümer:innen oder um andere gerechte und faire Lösungen im Sinne der „Washingtoner Erklärung“.

 

Die Autographen

  • Charles Edouard Duboc (Pseud. Robert Waldmüller) an Unbekannt, o.O., 25.11.1893, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.511,430)
  • Charlotte von Ahlefeld an Theodor Hell, Weimar, 4.5.1841, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,1)
  • Louis Angely an Theodor Hell, Berlin, 12.2.1828, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,2)
  • Wolf Heinrich von Baudissin an Unbekannt, Dresden, 30.10.1876, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,11)
  • Ernst von der Malsburg an Unbekannt, Dresden, 15.9.1823, 1 Br., eigenh. m. U., 4 S. (Mscr.Dresd.App.511,271)
  • Gottlob A. E. von Nostitz und Jänkendorf (Pseud. Arthur vom Nordstern) an Christian Conrad Wilhelm von Dohm, Dresden, 21.3.1810, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,302)
  • Gottlob Regis an Carl Gustav Carus, Breslau, 22.6.1852, 1 Br., eigenh. m. U., 2 ½ S. (Mscr.Dresd.App.511,323)
  • Eduard von Schenk an Ludwig Tieck, Regensburg, 11.5.1838, 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.511,340)
  • Stephan Schütze an Wilhelmine Schütze, Dresden, 27.6.1821, 1 Br. m. Umschlag, eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.511,347)
  • Friedrich Adolf Ebert an Unbekannt, Dresden, 10.3.1827, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.512,33)
  • Franz Volkmar Reinhard an Unbekannt, o.O., 26.7.1810, 1 Br., eigenh. m. U., 4 S. (Mscr.Dresd.App.512,287)
  • Alexander von Miltitz an Constantin Karl Falkenstein, Dresden, 2.10.1841, 1 Br., eigenh. m. U., 1 S. (Mscr.Dresd.App.515,42)
  • Alexander von Miltitz an Carl Borromäus von Miltitz, Berlin, 11.2.1842, 1 Br., eigenh. m. U., 4 S. (Mscr.Dresd.App.515,43)
  • Joseph Friedrich zu Racknitz an Georg Joachim Göschen, o.O., o.D. (um 2.4.1799), 1 Br., eigenh. m. U., 2 S. (Mscr.Dresd.App.515,52)
  • Eduard Jerrmann an Theodor Hell, München, 21.8.1825, 1 Br., eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.517,8)
  • Eduard Jerrmann an Theodor Hell, Prag, 14.2.1833, 1 Br., eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.517,9)
  • Eduard Jerrmann an Theodor Hell, Köln, 3.12.1834, 1 Br., eigenh. m. U., 3 S. (Mscr.Dresd.App.517,10)
  • Johann Friedrich Schink an Elisa von der Recke, Berlin, 12.5.1819, 1 Br., eigenh. m. U., 1 S. (Mscr.Dresd.App.511,342)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, Dresden, 26.7.1836, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,5)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, München, 16.11.1837, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,6)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, München, 13.2.1854, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,7)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, Dresden, 20.5.1854, 1 Br., eigenh. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,8)
  • Ernst Förster an Carl Gustav Carus, München, 31.12.1858, 1 Br., eigen. m. U. (Mscr.Dresd.App.513,9)

 

Die restituierten Bände wurden in der SLUB Dresden im Rahmen des Provenienz-Forschungsprojektes „NS-Raubgut in der SLUB (Erwerbungen nach 1945)“ identifiziert. Das Forschungsvorhaben wurde von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste gefördert.

 

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