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Schreib mir mal ne Karte! Von analogen und digitalen Urlaubsgrüßen
Die Ferien haben begonnen, die Sachsen verreisen. Doch schreiben Sie noch Urlaubsgrüße an Ihre Lieben auf eine Ansichtskarte? Was früher gang und gäbe war, ersetzt heute das Posten von Urlaubsbildern auf Instagram.
Schreib mir mal ne Karte, warb Willi Kollo schon 1937! Es muss ja nicht gleich literarisch anmuten wie bei Jurek Becker Am Strand von Bochum ist allerhand los oder gar philosophisch wie Jacques Derridas Die Postkarte. Im Gegenteil: Gerade für die profanen Urlaubsgrüße interessieren sich Sprachwissenschaftler der TU Dresden wie Jan Langenhorst. Er studiert Germanistik und besuchte das Block-Seminar Digital Humanities? Gibt’s doch gar nicht!, das die SLUB für die TU Dresden durchführt. Anstelle einer klassischen Seminararbeit verfasste er einen Blogpost über die linguistische Analyse von Sprachmustern auf Ansichtskarten und übt damit zugleich das wissenschaftliche Bloggen in den Digital Humanities. Bloggen dient nicht nur der Vernetzung innerhalb der Fachdisziplin, sondern unterstützt darüber hinaus den Wissenstransfer in die Öffentlichkeit und den Dialog, so auch der folgende Gastbeitrag von Jan Langenhorst. Wenn Sie also Fragen oder Anregungen zum Thema haben, schreiben Sie ihm einen Kommentar – oder ne Karte!
Jan Langenhorst
Ansichtskarten im Fokus der Sprachwissenschaft
„Wir essen gut und reichlich…“
Eine Ansichtskarte schreiben, das kann wohl jeder aus dem Stegreif: Das Wetter ist gut oder macht einem einen Strich durch die Rechnung. Man führt angenehme Gespräche mit den anderen Urlaubern - oder ist von ihnen genervt. Man wandert, isst, liegt am Strand und fährt Rad. Gerade diese Musterhaftigkeit macht die Ansichtskarte für die Sprachwissenschaft interessant.
Was macht die Ansichtskarte eigentlich zur Ansichtskarte?
Im durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie den Schweizer Nationalfonds geförderten Forschungsprojekt Textsortenentwicklung zwischen Standardisierung und Variation untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Zürich und der TU Dresden seit April 2016 unter Leitung von Prof. Heiko Hausendorf (Zürich) und Prof. Joachim Scharloth (Tokyo, zuvor Dresden) in Zusammenarbeit mit Dr. Noah Bubenhofer (Zürich) die Sprache der Ansichtskarte. Einerseits soll erforscht werden, wie sich die Musterhaftigkeit von Textsorten definieren und erfassen lässt: Was genau unterscheidet eigentlich die Ansichtskarte von der Gebrauchsanleitung und die Gebrauchsanleitung von der Kurzgeschichte? Außerdem lässt sich an den Karten nachvollziehen, wie sich die Muster dieses ‚Genres’ über die Jahrzehnte verändert haben – und damit auch die zugrundeliegenden Vorstellungen von Urlaub.
Dafür wurden rund 12.000 Ansichtskarten an der Universität Zürich digitalisiert. Anschließend wurden die Karten von Hand abgetippt und ihre Metainformationen erfasst, also z.B. das Ausgangs- und Zielland, das Datum, usw. Aus diesen Daten entstand [anko] – das AnsichtskartenKorpus. Als Korpus bezeichnet man in der Sprachwissenschaft eine große Menge an Text, die zur maschinellen Auswertung zur Verfügung steht.
Sprachlichen Mustern auf der Spur
Bei einer so großen Datenmenge kann es hilfreich sein, Daten auch grafisch darzustellen. Eine Wortwolke ist Ihnen bestimmt schon einmal begegnet – hier werden Wörter, die häufiger verwendet werden, größer dargestellt, seltene Wörter kleiner. So werden (sprachliche) Muster sichtbar und intuitiv erfassbar. Auch die (automatische) Erstellung von Graphen können uns Strukturen sichtbar machen, die uns vielleicht sonst gar nicht auffallen würden.
Die Autorinnen und Autoren der Ansichtskarte bestellen nicht einfach nur „Viele“ oder „Herzliche“ Grüße – sie werden kreativ und erfinden neue Grüße, wie z.B. den Wandergruß.
Bild 1: Schlagwortwolke mit häufigen Wörtern aus [anko]. Je größer ein Wort dargestellt wird, desto häufiger tritt es auf.
Bild 2: [anko] im Überblick: Welche Karten liegen vor und wer hat sie verfasst?
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