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SLUB-Schätze auf Reisen: Ein Glossar zur Erläuterung der Bibelübersetzung Luthers
Von Osten kommend führt der Weg nach Eisenach an den Hörselbergen und damit am sagenumwobenen Venusberg vorbei. Bereits 1799 verewigte Ludwig Tieck in seiner Erzählung Der getreue Eckart und der Tannenhäuser Motive der Nibelungen- und der Tannhäusersage. Richard Wagner vermischt schließlich die Volksballade um den Minnesänger Tannhauser zusammen mit der Sage vom Sängerkrieg auf der Wartburg in einer romantischen Oper.
Auch andere Legenden ranken sich rund um die Wartburg bei Eisenach. So soll Martin Luther während seiner Schutzhaft auf der Burg 1521/1522 in seiner Stube vom Teufel belästigt worden sein. Durch einen gezielten Wurf mit einem Tintenfass vertrieb der Reformator den Antichrist. Keine Legende ist, dass Luther während seines Aufenthaltes das Neue Testament vom griechischen Urtext ins Deutsche übersetzte. Der Druck wurde im 1522 als sogenanntes Septembertestament unter dem Titel Das Newe Testament Deutzsch veröffentlicht und bildete damit die Grundlage für eine einheitliche deutsche Schriftsprache. 2015 wurden insgesamt 14 Manuskripte, Briefe und Originaldrucke der Frühzeit der Reformation in das UNESCO Weltregister "Memory of the World" aufgenommen. Neben einem Handexemplar Luthers der Hebräischen Bibelausgabe und einem Plakatdruck der 95 Ablassthesen befanden sich darunter eine Ausgabe des "Septembertestaments" sowie eine Handschrift aus dem Bestand der SLUB, Luthers Psalmenvorlesung aus den Jahren 1513 bis 1515 (Mscr.Dresd.A.138).
Die Sonderausstellung auf der Wartburg Luther übersetzt. Von der Macht der Worte vom Mai bis November 2022 thematisiert die Bibelübersetzung. Mit interessanten Objekten von den zwölf in Offenbarung 21 genannten Edelsteinen, die Luther benutzte, um deren Farben genau beschreiben zu können, über illuminierte Handschriften und frühe Bibeldrucke bis hin zu Änderungsprotokollen aus dem 20. Jahrhundert beschreiben die Exponate den Prozess der Übersetzung der Bibel von Luther bis hin zu Revisionen des Textes in der heutigen Zeit.
Eines dieser ausgestellten Stücke ist Das Gantz Neüw testame[n]t recht grüntlich teutscht aus dem Bestand der SLUB Dresden. Die Bibel im Oktavformat wurde 1524 von Adam Petri in Basel gedruckt. Die Kurator:innen der Ausstellung wählten dieses Exemplar aufgrund eines darin abgedruckten Glossars. Dieses diente als Hilfsmittel zur Erklärung von Bedeutungen und Übersetzungen von Begriffen, die Luther verwendete. Luther hatte das Neue Testament nicht buchstabengetreu übersetzt, sondern versucht, den Ursprungstext zwar genau, aber auch unter Nutzung der damaligen deutschen Alltagssprache zu dolmetschen. Sein Anliegen war es, einen volksnahen und verständlichen Text zu schaffen. So entwickelte er auch neue Worte durch Zusammensetzungen, erweiterte die Bedeutung von bestehenden Wörtern oder erschuf Redewendungen, die auch heute noch gebräuchlich sind. Mit Begriffen wie Lückenbüßer, Feuereifer oder Denkzettel bereicherte er die deutsche Sprache auf dem Weg zu einer Einheitssprache, die sich im übrigen an der sächsischen Kanzleisprache orientierte. Ob Luthers Bibelübersetzung die sprachliche Entwicklung seit dem 16. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst hat oder sie lediglich eine bereits fortschreitende sprachliche Entwicklung beschreibt oder begleitet, wird durchaus in der heutigen Forschung kontrovers diskutiert.
Das Glossar der Bibelausgabe aus der SLUB steht in der Ausstellung für diese Sprachentwicklung. Damit sind mit dieser Leihgabe auch nicht "Perlen vor die Säue geworfen", um eine Redewendung Luthers aus dem Matthäus-Evangelium zu bemühen: „Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben und eure Perlen nicht vor die Säue werfen, auf dass sie dieselben nicht zertreten mit ihren Füßen.“ (Mt 7,6)
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