SLUBlog

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Von Tageszeitung bis Textil: Neues aus dem Landesdigitalisierungsprogramm

Auch in diesem Jahr verzeichnete das Online-Portal sachsen.digital dank des Sächsischen Landesdigitalisierungsprogrammes wieder zahlreiche Zuwächse. Im SLUBlog werfen wir einen Blick auf die Zahlen, Fakten, Highlights und natürlich in die Zukunft!

Wie können vor allem kleinere sächsische Einrichtungen mit Kulturerbe unterstützt werden, ihre Spitzenstücke und wichtigen Sammlungen im Open Access digital zu präsentieren? Oft fehlt es an vielem: Workflows zur Digitalisierung von Sammlungsgut, Präsentation und Langzeitarchivierung von Digitalisaten, standardisierte Präsentations- und Publikationssoftware und anderes mehr. Der Freistaat Sachsen brachte deshalb 2014 in den Doppelhaushalt 2015/16 das Landesdigitalisierungsprogramm für Wissenschaft und Kultur (LDP) ein, um kleinere Einrichtungen finanziell und mit Expertise in allen Fragen der Digitalisierung den Weg zu digitalen Präsentationen ihrer Sammlungsgüter zu ebnen. Diese Digitalisate sind kostenfrei und jederzeit von jedem Ort zugänglich und werden in regionalen, überregionalen, nationalen (wie der Deutschen Digitalen Bibliothek) und internationalen Nachweissystemen (Europeana) geführt.

Gegenüber Digitalisierungsprogrammen anderer Länder wird im LDP auf einheitliche Workflows und Software geachtet, dadurch werden nicht nachhaltige technische Insellösungen vermieden. Auch ist das LDP kein Förderprogramm, bei dem den Einrichtungen umfangreiche Fördermittelanträge mit strengen Fristen abverlangt werden. Am LDP kann sich jede Kulturerbeeinrichtung, vor allem mit Schriftgut, aber auch darüber hinaus, niedrigschwellig und unkompliziert beteiligen. Nicht zuletzt wird damit der ländliche Raum gestärkt, da das LDP seit 2015 Projekte im gesamten Freistaat durchführt.

Die SLUB koordiniert das gesamte LDP mit seinen drei Linien Digitalisierung und Langzeitarchivierung sowie Kauf von aktueller Forschungsliteratur (E-Books). Die Geschäftsstelle des LDP informiert und berät, koordiniert die Projekte, vergibt die Digitalisierungsaufträge an Fachfirmen, die Mitarbeiterinnen katalogisieren die Digitalisate, bringen diese in die Präsentations- und Publikationssysteme und sorgen für die Langzeitarchivierung.

Seit Beginn des LDP im Jahr 2015 wurden mehrere Millionen Seiten von Handschriften und Drucken, Filme sowie grafische Medien, Fotografien und besondere Materialien wie Minerale aus vielen sächsischen Kulturerbeeinrichtungen, darunter Bibliotheken, Archive und Museen, digitalisiert. Auf der Präsentationsplattform des Programms stehen mittlerweile 77 digitale Kollektionen zur Verfügung, mehr als 4,6 Millionen Seitenzugriffe konnten 2021 auf die Digitalisate des LDP verzeichnet werden.

Die Anerkennung des LDP von Politik, Verwaltung, aber auch und vor allem durch die Nutzenden und die Einrichtungen selbst ist immens. Die Einrichtungen verfügen nun über neue Möglichkeiten, ihre Bestände zu präsentieren, die Nutzung zusätzlich zu der vor Ort zu erhöhen und neue Formen der Arbeit mit Digitalisaten anzuwenden.

Das LDP umfasst neben der Digitalisierung und Langzeitarchivierung historischer Materialien noch viele weitere Projekte: Finanziert werden E-Book-Pakete und Datenbanken für die sächsischen Hochschul- und Universitätsbibliotheken sowie z. B. eine virtuelle Forschungsdatenumgebung für die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig zur Erschließung von historischen Studierenden- und Lehrendendaten. Außerdem unterstützt das LDP mit thematischer Digitalisierung und Vorträgen landesgeschichtliche wissenschaftliche Vorhaben und Konferenzen wie die Kolloquien zu dem Kirchenhistoriker Leo Bönhoff und dem Denkmalforscher Gustav Kuhfahl. Zudem wird aus dem LDP ein Förderfonds zur Open Access-Freistellung wissenschaftlicher Forschungsliteratur finanziert.

Textilmusterbuch aus der Historischen Schauwebererei Braunsdorf (Niederwiesa, Mittelsachsen)

Das Museum Historische Schauweberei Braunsdorf befindet sich seit 1910 in einer Industrieanlage auf einer Insel zwischen der Zschopau und einem Mühlgraben. Martin Tannenhauer hatte 1883 in Chemnitz eine Weberei für Möbelbezugsstoffe gegründet. Das Unternehmen blieb bis zu Schließung 1990 in den Händen der Familie Tannenhauer. Heute werden die Räume der Firma museal genutzt. Die Attraktion des Hauses sind zahlreiche funktionstüchtige Textilmaschinen, vorwiegend aus Chemnitzer Produktion, welche die Produktionsstufen zu einem fertigen textilen Gewebe eindrucksvoll verdeutlichen. Seit 2014 gehören zur Sammlung der Schauweberei zudem zahlreiche Entwürfe, Musterpatronen (technische Zeichnungen zur weiteren Verarbeitung der Dessins), textile Gewebeproben, Musterbücher, Garn- und Farbsortimente aus der Produktionszeit der Weberei Tannenhauer. Anhand dieses Musterschatzes sind Produktionsabläufe von der Idee bis zum fertigen Gewebe ablesbar. Das von 1883 bis 1990 angelegte Musterarchiv ist ein Kleinod sächsischer Textilgeschichte. 

Aus der Sammlung wurde innerhalb des LDP das Textilfarbmusterbuch aus der Zeit 1927 bis 1956 digitalisiert. Das übergroße, schwere Buch, das von vier Personen getragen werden musste, bildet auf über 200 Seiten mehrere tausend textile Farbmuster ab, bis hin zur Gewebestruktur, die ebenfalls digital erkennbar ist. Noch in diesem Jahr ist über das LDP ein Folgeprojekt mit der Schauweberei unter anderem zur Digitalisierung weiterer Textilmusterbücher geplant.

Hier geht es zur Kollektion bei sachsen.digital.

Archiv des Leipziger Synagogalchores

Der Leipziger Synagogalchor ist ein Unikat in der deutschen Musikgeschichte. 1962 wurde er vom jüdischen Kantor Werner Sander (1902‒1972) gegründet, um die nach der Schoa nur noch in wenigen Quellen überlieferte Chormusik der liberalen Synagogentradition wieder aufführen zu können. Gleichzeitig begann Sander, jiddische und hebräische Lieder für gemischten Chor zu arrangieren. Der von Beginn an aus nichtjüdischen Sänger:innen bestehende Laienchor, der bis zur Wende 1989/90 unter der Trägerschaft des Verbandes der jüdischen Gemeinden in der DDR stand und heute ein gemeinnütziger Verein ist, setzte Sanders Anliegen in den zwei deutschen politischen Systemen und nunmehr seit sechs Jahrzehnten kontinuierlich fort. 2017 wurde das Ensemble mit dem Obermayer German Jewish History Award geehrt. Auf Initiative des Chores wurde die „Revitalisierung synagogaler Chormusik des 19. und 20. Jahrhunderts Mittel- und Osteuropas“ 2020 als gutes Praxisbeispiel in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes eingetragen.

Das umfangreiche Chorarchiv dokumentiert die ungewöhnliche Geschichte des Leipziger Synagogalchores. Die digitalisierte Sammlung umfasst über 700 Plakate, Programme und Flyer ab dem Jahr 1963. Eine Auswertung des vollständigen Archivmaterials inklusive Konzertanzeigen und Rezensionen kann in der Aufführungsdatenbank musiconn.performance recherchiert werden. 
Beide Projekte bieten eine Forschungsgrundlage zur Darstellung der Pflege jüdischer Musik in der DDR sowie in Deutschland nach 1990.

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Historische Tageszeitungen aus Wilsdruff

Trotz der jahrzehntelangen Anstrengungen der Sächsischen Landesbibliothek, möglichst viele historische Tageszeitungen aus Sachsen mikroverfilmen zu lassen, gibt es in einigen Städten, Gemeinden und Regionen immer noch „weiße Flecken“. Hier sind weder Digitalisate noch Benutzungsfilme historischer Tageszeitungen vorhanden, was besonders für die Heimatgeschichtsforschung eine empfindliche Lücke darstellt.

Das LDP digitalisiert deshalb seit 2021 auch historische Tageszeitungen, bei denen noch keine Mikroverfilmung durchgeführt wurde und die bisher deshalb nur vor Ort genutzt werden konnten, oft zu sehr eingeschränkten Öffnungszeiten.

Wenn größere Sammlungen historischer Tageszeitungen für die Digitalisierung bereitgestellt werden, ist das nicht nur für die Forschung in der Region selbst ein Glücksfall. Im Heimatmuseum der Stadt Wilsdruff und im Stadtarchiv werden zahlreiche historische Zeitungen mit redaktionellen Inhalten zu Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden aufbewahrt. Im LDP-Projekt wurden 121 Folianten mit dem „Wochenblatt für Wilsdruff“ bzw. dem „Wilsdruffer Tageblatt“ aus der Zeit von 1841 bis 1940 nahezu lückenlos digitalisiert.

Mehr als 100.000 Seiten stehen jetzt orts- und zeitunabhängig bei sachsen.digital zur Verfügung. 

Handschriften aus der Diözesanbibliothek des Bistums Dresden-Meißen

Die Diözesanbibliothek mit Sitz in Bautzen umfasst eine umfangreiche Sammlung an Handschriften, Inkunabeln, Drucken der Frühen Neuzeit und Werken der Gegenwart. Hinzu kommen leihweise überlassene Sammlungen wie die Domstiftsbibliothek Bautzen oder Altbestände aus den Pfarreien des Bistums.

Zur Diözesanbibliothek zählen mehrere Handschriften, die Bernard Bolzano (1781-1848) verfasst hat. Bolzano, ein Theologe, Philosoph und Mathematiker, konnte aufgrund seiner liberalen Gedanken aus politischen Gründen vieles nicht veröffentlichen. Er schrieb auch über die Fragen von Böhmen und Deutschen sowie den Nationalismus als trennendes Element, den er zu überwinden versuchte. Seine nun digital veröffentlichten Werke stellen einen wissenschaftlichen Korpus dar, der weitere Forschung stimuliert und verlangt.

Digitalisiert wurde darüber hinaus die erste komplette Bibelübersetzung ins Obersorbische von Jurij Hawštyn Swětlik (Georg Augustin Swotlik).

Hier geht es zur Kollektion bei sachsen.digital.

Glasplattensammlung der Maschinenbau-AG Grimma-Golzern

Im Bestand des Sächsischen Wirtschaftsarchivs e. V. in Leipzig wird neben vielen anderen Sammlungen auch die der 1847 in Golzern gegründeten Maschinenbau-AG aufbewahrt. Die Firma hatte bis zur Verlegung nach Grimma ihren Sitz in Golzern. 1913 wurde der Standort Golzern geschlossen. Die Firma produzierte landwirtschaftliche Maschinen, Mühlen- und Papierfabrikeinrichtungen wie Dampf- und Papiermaschinen sowie Turbinen, die bis nach Persien und Nepal geliefert wurden.

Die digitalisierten 4500 Glasnegative verdeutlichen die Leistungsfähigkeit der Maschinenbau-AG und bilden die Produkte selbst, deren Produktion, die Fabrikanlagen, das Personal und auch den Aufbau der Anlagen vor Ort ab. Die Negative stammen aus der Zeit 1893 bis 1961.

Die Digitalisate zeigen, welche weltweiten Geschäftsbeziehungen mittelständische Unternehmen Sachsens bereits im 19. Jahrhundert hatten und sind wichtige Objekte der Industriegeschichte.

Hier geht es zur Kollektion bei sachsen.digital.

Ausblick

Als nächste Kollektionen werden unter anderem digitalisierte Werke aus der Bibliothek Karl Mays, Handschriften und Drucke aus der Jagiellonenbibliothek Krakau, die aus sächsischen Archiven und Bibliotheken stammen und sich seit 1945 in Polen befinden, Fotografien aus der Fotothek und Zeitschriften zur Landschaftsarchitektur mit dem Schwerpunkt Sachsen veröffentlicht.

Verstärkt werden aus Mitteln des LDP historische naturkundliche Sammlungen digitalisiert und erstmals online präsentiert. Den Beginn solcher Vorhaben im LDP markierte die 2021 abgeschlossene Digitalisierung der Oryktognostischen (Mineral-) sowie Gemmensammlung Abraham Gottlob Werners an der TU Bergakademie Freiberg. Derzeit werden die historischen Herbarblätter des Instituts für Botanik digitalisiert, von denen die ersten 30.000 im ersten Quartal 2023 präsentiert werden. Auch weitere Vorhaben zur Digitalisierung naturkundlicher Materialien sind geplant.

Ein regelmäßiger Besuch auf sachsen.digital lohnt sich also!

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